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272 - Dieser Hunger nach Leben

272 - Dieser Hunger nach Leben

Titel: 272 - Dieser Hunger nach Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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höchster Lust zu treiben, und so wurde mein Einfluss auf ihn immer größer. Wie groß er wirklich war, wurde mir klar, als ich eines Abends mit Carla, die wegen ihres zarten Körperbaus offiziell als el cánido , als Hundejunge bekannt war, über den Marktplatz von La Isabela zu unserer kleinen Kirche ging, um der Jungfrau Maria eine Kerze anzuzünden und ihr Blumen auf den Altar zu legen.
    Zwei betrunkene Conquistadores, die ich flüchtig kannte, kreuzten unseren Weg und versuchten mich anzupöbeln. Unschöne Worte fielen. Doch als Carla die beiden scharfen Kriegshunde, die sie an der Leine mitführte, gefährlich knurren ließ, machten sich die Männer schnell davon. Da ich aber sehr dünnhäutig geworden war, was solcherart Pöbeleien anbelangte, die gegen meine Würde gerichtet waren, beschuldigte ich die beiden Männer vor meinem Manne der Vergewaltigung. Almeida war außer sich und ließ die beiden Conquistadores sofort festnehmen. Sie leugneten lauthals, aber ich beschwor die Richtigkeit meiner Worte bei der Jungfrau Maria. Das genügte Almeida. Er verurteilte die Halunken zum Tode.
    Ich konnte den nächsten Tag kaum erwarten. Unter Trommelwirbel wurden die beiden Männer, die man nur mit dem Büßerhemd bekleidet auf einen Ochsenkarren gebunden hatte, auf den Marktplatz gefahren und heruntergezerrt. Knebel hinderten sie am Wimmern und Flehen, und so kündeten ausschließlich die Tränen, die in Strömen über ihre Wangen liefen, von ihrer großen Verzweiflung. Immer wieder starrten sie mich an, doch ich wich ihrem Blick nicht aus. Im Gegenteil, ich konnte mich nicht sattsehen an ihrer Pein, denn sie erinnerte mich an meine eigene.
    Die Kerle wurden von vier kräftigen Soldaten unter Schlägen und Kniffen auf das eilig zusammengezimmerte Galgenpodest geführt, während sich der Marktplatz immer mehr füllte. Almeida las laut das Todesurteil vor, das die Männer wegen des Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung ereilte, während die Schlingen bereits über ihren Köpfen baumelten.
    Als die Kerle schließlich in den Schlingen zuckten, spürte ich, wie sich mein Unterleib in beinahe ekstatischer Lust zusammenzog. Mit Absicht mied ich die Blicke Carlas, die nicht mit meinem Tun einverstanden war, aber auch nichts dagegen unternahm, denn sie wusste, was ich durchgemacht hatte und war meine Freundin.
    In den nächsten Wochen suchte ich mir gezielt die Mistkerle heraus, die es auf dem Schiff am schlimmsten mit mir getrieben und mich vor aller Augen gedemütigt hatten. Der Dreck, der ich für sie war, waren sie nun für mich. Ich denunzierte sie bei Almeida und erreichte bei jedem Einzelnen von ihnen ein Todesurteil. Verteidigen konnten sie sich nicht, denn Almeidas Wort wurde von Francisco Roldán, der La Isabela regierte, seit Colón auf der Suche nach Gold im Hinterland weilte, nicht angezweifelt.
    Carla tat alles, um mäßigend auf mich einzuwirken, und sie schaffte es tatsächlich, dass ich dem einen oder anderen das Leben schenkte, wenn ich in großzügiger Stimmung war. Doch kam ihr trotz meines Tuns niemals in den Sinn, mir ihre Freundschaft aufzukündigen.
    Bald schon nannte mich ganz La Isabela den Todesengel . Ich wusste es und genoss darob meine Macht noch mehr. Alle begegneten mir nun mit ungeheurem Respekt und Angst in den Blicken. Das gefiel mir, aber ich hatte noch lange nicht genug. So begann ich mir auch Männer auszuschauen, die mich niemals zuvor belästigt hatten, die es aber in der entsprechenden Situation wohl getan hätten.
    Die Hinrichtungen gingen weiter. Ich war wie besessen davon, Männer sterben zu sehen, denn es waren noch lange nicht genug, um ein Dutzend Jahre allergrößter Demütigungen zu sühnen. Und hätte ich nicht Carla zu meinem persönlichen Hundeführer gemacht, ich wäre wohl auf offener Straße hinterrücks ermordet worden. Doch Carla mit ihren Kriegshunden beschützte mich vor jeder Unbill.
    Dann beging dieser geile Pfaffe Bartolomé de Quintanilla, der längst ebenfalls auf meiner Todesliste stand, die Unachtsamkeit, seine Indio-Hure mit nach La Isabela zu bringen. Roldán köpfte sie und löste so kriegerische Angriffe der Taino aus, die Almeida schließlich das Leben kosteten. Sofort fielen die Conquistadores wie Tiere über mich her. All der Hass, der sich auf mich angestaut hatte, entlud sich und ich erlitt schlimme Verletzungen. Nicht einmal Carla mit ihren Hunden konnte mich noch schützen.
    Ich wollte sterben, doch sie ließen mich nicht. Cristóbal Colón, der

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