272 - Dieser Hunger nach Leben
von seiner Exkursion zurückkehrte, bestimmte, dass ich geheilt und wieder zur Hure gemacht werde, denn jeder sei von Gott an seinen Platz gesetzt worden, um auf seine Weise ihm und der Menschheit zu dienen.
So musste ich das Leben einer Senhora wieder aufgeben und landete erneut im Hurenhaus. Doch war mir längst ein weiterer Verehrer erwachsen. Commandante Alfonso Ensenat de Villalonga, der beauftragt wurde, das Kommando im Fort El Castillo mitten im Urwald zu übernehmen, durfte sich unter all den Frauen eine persönliche Hure aussuchen und erwählte mich, Garota.
So zog ich mit ihm und seinen Männern, für die zehn andere Frauen bereitstanden, doch meistens hielten sich die Kerle an den Indiofrauen schadlos, die sie auf ihren Kriegszügen fingen. Mein Herz jubilierte, dass auch Carla samt ihrer Hundemeute mit uns zog. Colón hatte Villalonga ein ganzes Rudel Kriegshunde samt Führer bewilligt, da sich die Forts direkt an der Front befanden und ständigen Attacken der Indios ausgesetzt waren.
Ich war nun Villalongas persönliche Mätresse. Da er aber verheiratet war und mich deswegen nur heimlich besuchte, besaß ich nicht den Einfluss auf ihn wie einst auf Almeida. Zudem wurde er meiner schnell überdrüssig, ebenso wie er seiner Frau überdrüssig war, denn er schien nur beim Kämpfen und Töten höchste Lust zu empfinden.
So konnte ich auch nicht verhindern, dass Carla als Hundeführer mit auf die Kriegszüge musste. Da sie aber ob ihres wunderbaren Einflusses auf die Hunde, die ihr aufs Wort gehorchten, die höchste Protektion des commandante genoss, hatte sie eine Sonderstellung inne. Villalonga gewährte dem Hundejungen einmal im Monat für eine Woche eine persönliche Hure. So konnte mich Carla für diese Zeit dem Zugriff der Soldaten entziehen, auch wenn dies vor allem wegen Maxim schwierig war. Denn dieser tumbe Schlagetot mit dem Verstand einer Ameise war in mich verliebt und drängte sich mir fortwährend auf.
Schließlich wurde El Castillo von einer gewaltigen Horde Indios überfallen. Auch ich gehörte zu den Verschleppten und musste schlimme Dinge durchleben, bevor ausgerechnet der Pfaffe de Quintanilla mich befreite, Maxim dem Häuptling den Schädel einschlug und uns unsere anschließende Flucht letztlich auf dieses Schiff führte, die Doña Filipa.
Ja, ich wollte in die Alte Welt zurück und wieder im Grünen Kakadu anfangen, sofern es ihn noch gab. Doch all meine Hoffnungen, dieser Hölle, die die Neue Welt für mich gewesen war, zu entkommen, endeten in einem kalten blauen Leuchten…
***
Irland, Dezember 2525
In den letzten zwei Monaten hatte Mutter die Küste zwischen Newcastle und Edinburgh zu ihrem Revier gemacht. Denn auf dieser Höhe hielt sich der leuchtende Glanz auf, viel zu weit im Landesinnern, als dass sie die Schatten dorthin hätte entsenden können. So beschränkte sie sich darauf, die Küstendörfer zu überfallen, um an neue Lebensenergie zu kommen. Doch als zunehmend Gerüchte von versteinerten Menschen die Runde machten, wurde die Ausbeute immer geringer.
Endlich, Ende November, als längst schwere Schneestürme an der britannischen Küste tobten, registrierte sie, dass der leuchtende Glanz in Richtung Küste wanderte. Allerdings zur entgegengesetzten Seite, Richtung Westen!
Mutter ließ die schwarze Karavelle sofort nach Norden fahren, um die schottische Küste herum. Mitte Dezember hatte das Schattenschiff über die Orkney-Passage und die Hebriden-Inseln die Ostküste Irlands erreicht. Hier, in einem kleinen Küstendorf, witterte Mutter den leuchtenden Glanz. Doch seltsam… er schien sich verdoppelt zu haben! Nun nahm sie zwei getrennte Punkte wahr, dicht beieinander, aber doch räumlich getrennt.
Sie wusste den Grund dafür nicht, nahm es aber freudig hin. Denn umso größer war die Chance, dass sie stofflich werden und den Harzmantel abstreifen konnte.
Tatsächlich waren Matthew Drax und Aruula an diesem Abend nach einer Bootsfahrt von Schottland her an der Ostküste Irlands angelandet. Ihr Freund Rulfan war bei Jed Stuart zurückgeblieben, einem alten Bekannten der drei, der sich selbst zum »König von Schottland« gekrönt hatte. Er hatte ihnen Land und Besitztümer angeboten, und Rulfan war auf das Angebot eingegangen.
Matt musste es zunächst ablehnen; noch immer war er auf der Suche nach seiner Tochter Arm und deren Mutter, seiner ehemaligen Staffelkameradin Jennifer Jensen, die gemeinsam mit ihm und dem Rest der Staffel durch den Zeitstrahl in diese
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