2721 – Der Paradieb
Qual denn nie auf?
Andererseits, gerade Shadin war er es wohl schuldig, dass er ihr zumindest antwortete. Gucky suchte nach einem Kommunikationsanschluss, und als er diesen gefunden hatte, nahm er Kontakt auf.
*
»Wo?« Der Mausbiber klang rau, fast stimmlos, als habe er sich die eine Silbe unter größten Mühen abgerungen.
»Ich kenne deinen Aufenthaltsort nicht«, sagte Shadin. »Kannst du nach oben in die Kantine kommen? Sie wurde geräumt, der Weg sollte dir offen stehen.«
Bouring flüsterte ihr zu, dass er Richtungspfeile beleuchten konnte, falls der Ilt seinen Standort bekannt gab. Shadin gab die Information an Gucky weiter.
»Was soll das jetzt noch bringen?«, fragte der Ilt, jedes gekrächzte Wort ein Ausdruck abgrundtiefer Verzweiflung. »Ich habe eine bessere Idee, wie dieses Problem zu bereinigen ist. Dazu brauche ich keine Hilfe, weder von Bouring noch von dir.«
»Ich flehe dich an, Gucky, mach keinen Blödsinn!«, warf der Professor ein. »Du hast eine Verantwortung ...«
»Oh ja, für einen Doppelmord.«
»Nein – gegenüber der Menschheit, der Liga, der ganzen Milchstraße! Falls du dich davonstiehlst, indem du dir etwas antust, können manche Rätsel nie mehr gelöst werden. Zum Beispiel, wieso die interne Uhr des Raumanzugs, aus dem man dich nach der missglückten Teleportation geschält hat, um genau vier Sekunden nachgegangen war. Wo du diese vier Sekunden verloren hast; und was in der Zeitlücke geschehen ist.«
»Wen interessiert's?«
»Wichtige Hinweise könnten darin verborgen liegen – wissenschaftliche Erkenntnisse, die uns möglicherweise in der Auseinandersetzung mit dem Atopischen Trubinal einen entscheidenden Vorteil verschaffen.«
»Mit wem?« Der Mausbiber wirkte trotz der Frage desinteressiert.
»Gucky?«, fragte Shadin Riocourt. »Bist du noch da?«
»Ja. Aber nicht mehr lange.«
»Stell deine Ohren auf: Bisher warst du für mich und alle anderen im TIPI einer der größten Helden des bekannten Universums, ein Vorbild, dem wir alle nacheiferten. Falls du aber deinen flachen Schwanz einziehst und dich weigerst, mir für ein kurzes Gespräch von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten, werden wir dich als Feigling in Erinnerung behalten; als selbstverliebten Windbeutel, der unserer Verehrung letztlich nicht würdig war.«
»Ich bin längst jenseits jeglicher Eitelkeiten«, piepste Gucky. »Aber schön, wir sehen uns in der Kantine. Unter vier Augen – soll heißen, du kommst allein und auch ohne irgendwelche Roboter, klar?«
»Ich gebe dir mein Ehrenwort.« Die Verbindung wurde getrennt. Der Professor drehte sich zu Shadin und sah sie forschend an. »Was ich ihm gesagt habe, gilt auch für dich: Mach bitte keine Dummheiten.«
*
Sie hielten sich an die Abmachungen. Gucky begegnete keiner Menschenseele auf dem Weg zur Kantine, die sich ebenfalls als verwaist erwies.
Kurz nach ihm traf Shadin Riocourt ein, unbegleitet. Sie wirkte mühsam gefasst. »Danke, dass du gekommen bist«, sagte sie, nachdem sie sich, einen Abstand von mehreren Metern wahrend, an einen anderen Tisch gesetzt hatte.
Gucky zuckte die Achseln. »Obwohl ich wenig Sinn darin sehe. Aber sing dein Lied. Sag, was du zu sagen hast.«
»Ich ... ich klage dich nicht an. Meine Vorwürfe waren unberechtigt, eine Folge des Schocks. Inzwischen weiß ich, dass du meinen Bruder nicht hast töten wollen. Dass es ein Unfall war wie bei Severin.«
»Ein Unfall, der sich mit hoher Wahrscheinlichkeit wiederholen wird. Außer, ich schiebe dem selbst einen Riegel vor.«
»Auf welche Weise?«
Gucky sah in Augen voller Schmerz und Trauer; von parapsychischer Euphorisierung spürte er nichts. Shadins Niedergeschlagenheit bestärkte ihn in seiner Entscheidung. »Es wäre besser gewesen, ich wäre nicht mehr erwacht.«
»Das sollst du nicht ...«
»Lass mich ausreden. Ich bin hier und jetzt das Problem. Die optimale Methode, es zu beseitigen, liegt just in der Fähigkeit, die ich von deinem Bruder unfreiwillig geerbt habe. Ich werde sie benutzen, mir telekinetisch den Zellaktivatorchip aus dem Leib reißen und so meinem Leben ein Ende setzen.«
»Nein!«
Er lachte bitter. »Ich wüsste nicht, wie du oder sonst jemand mich daran hindern könnte.«
»Du darfst das nicht tun.«
»Sagt wer? Die Gesetze der LFT oder gar die Regeln dieses ominösen Tropischen Tribunals?«
»Und wer oder was berechtigt umgekehrt dich zur Selbstjustiz?«
»Der Wunsch zu sühnen. Sowie das dringende Bedürfnis,
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