2724 – Zeitzeuge der Zukunft
miteinander vermischte – wie es im Gesicht eines Kindes mit den Gesichtern seiner Eltern geschah –, war die Verwandtschaft mit beiden sichtbar.
Das Gesicht des Futugens wirkte, als hätte MAZE Milliarden Gesichter, vielleicht die Gesichter aller Menschen vermischt, Männer wie Frauen, Kinder wie Greise.
So sah es aus, als trüge das Futugen das Antlitz der gesamten Menschheit, verklärt und verewigt durch Menschenschönheit.
Es fiel ihm immer wieder schwer, seinen Blick von diesem Antlitz zu lösen. Und seine Blicke kehrten immer wieder zu diesem universalen Menschenhaupt zurück.
Sie warteten, aßen, tranken, unterhielten sich.
Einmal, vor etlichen Stunden, hatte Berook geglaubt, den Ilt Gucky gesehen zu haben. Doch vielleicht hatte er es bloß geträumt.
Um Punkt 12 Uhr betrat der Atopische Richter wieder den Saal. Aus dem Technoboden schraubte sich ein Pult wie aus Schmiedeeisen. Matan stellte sich daran, ohne seinen Stab abzulegen.
Die Kamerasonden huschten durcheinander und positionierten sich neu.
Der Richter bedankte sich zunächst für die Geduld der Schöffen. »Der Prozess folgt dem Atopischen Recht. So, wie das Recht der Liga Freier Terraner höher steht als das bloß Solare Recht, so, wie das Solare Recht höher steht als jeder regionale Brauch, so steht das Atopische Recht über dem Recht der Liga.
Seine Würde bezieht dieses Recht aus dem Wohl, das es für den immer größeren Teil einer Gesamtmenge bewirkt, ohne die geringere Menge oder den Einzelnen rechtlos zu setzen.«
Berook nickte. Die Ausführungen des Richters zeichneten sich durch eine erstaunliche Weisheit aus, und es befriedigte Berook, dass er ihnen so mühelos, so traumsicher folgen konnte.
Auch das Verfahren, nach dem der Prozess durchgeführt werden sollte, leuchtete ihm ein. Es war allerdings anders, als irdische Rechtswissenschaften es kannten: Die beiden Angeklagten – Matan Addaru Dannoer nannte sie »Kardinal-Fraktoren« – würden nicht selbst anwesend sein. Die Schöffen sollten sich berufen sehen, den Richter zu befragen. Schließlich würde der Richter das Urteil verkünden – ein Urteil, das er bereits vor langer Zeit und nach gründlicher Prüfung gefällt hatte.
»Die Befragung möge beginnen. Ich bitte«, sagte er und hob aufmunternd die freie Hand, »um Fragen.«
*
Angakkuq hatte sich erboten, Rhodan und Bostich beim Verfahren zu begleiten – dem sie selbst nicht beiwohnen würden.
»Verrückt!«, empörte sich Bostich. »Fürchtet dein Gebieter, wir würden die Schöffen auf unsere Seite bringen? Da stehen sie eh – wenn sie halbwegs bei Verstand sind.«
»Abwesenheit der Angeklagten bedeutet Schonung«, verkündete Angakkuq.
»Des Richters?«, erboste sich Bostich.
»Der zwei Kardinal-Fraktoren«, sagte Angakkuq. »Schonung auch vor dem Zorn der Schöffen. Schließlich ist GA-yomaad längst als Tatort des Weltenbrands kontaminiert.«
Bostich fragte nach: »GA-yomaad ist also eine Bezeichnung für die Milchstraße? Es geht um den Weltenbrand der Milchstraße?«
»Sicher«, sagt Angakkuq. »Es ist nie etwas anderes behauptet worden.«
Der zwei Kardinal-Fraktoren. Rhodan ließ sich die Formulierung Angakkuqs wieder und wieder durch den Kopf gehen. Was störte ihn daran?
»Angakkuq«, sagte er und lächelte. »Du sprichst ein exzellentes Interkosmo. Verzeih, wenn ich dich auf eine sprachliche Feinheit aufmerksam mache – einen winzigen Fehler.«
»Einen Fehler?« Angakkuq schien aufrichtig betroffen.
»Nun, da Bostich und ich die einzigen Kardinal-Fraktoren sind, wäre es hinreichend, einfach von den Kardinal-Fraktoren zu sprechen.« Er lächelte. »So, wie du es sagst, klingt es, als gäbe es noch andere.«
Bostich warf ihm einen erstaunten Blick zu.
»Die Dimension der Anklage ist komplex«, sagte Angakkuq. »Tatsächlich befasst sich das Tribunal auch mit dem Adauresten und wird auch seiner habhaft werden. Wiewohl er zurzeit nicht greifbar ist.«
»Der Adaurest?«, wunderte sich Rhodan. »Wer oder was ist der Adaurest?«
»Der dritte Kardinal-Fraktor der Ekpyrosis von GA-yomaad«, sagte Angakkuq. »Er spielt für den aktuellen Prozess keine Rolle.«
*
Der auf Terra geborene Gataser Siyindirr stellte die erste Frage: » Nulla poene sine lege. Ohne Gesetz keine Strafe. In der Liga ist es nicht legal, Gesetze oder Verordnungen rückwirkend zu erlassen.«
Matan nickte dem Blue zu wie ein Jura-Professor seinem klugen Erstsemestler. »Das ist durchaus achtenswert. Aber die
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