2726 - Totentanz
einem Mal Bewegung in Schechter. Irgendwie gelang es ihm, die Fesselung seiner mörderischen Arme zu lösen. Sie wirbelten umher, schlugen nach den Robotwürmern – so schnell, dass das Auge nicht zu folgen vermochte.
In der verlangsamten Wiedergabe erkannte Uvan-Kollemy die Arme als unzählige Fäden, die sich zu klingenbewehrten Tentakeln konfigurierten, sich wieder voneinander lösten und neue Arme mit neuen Waffen herausbildeten. Effektiver als jede Nahkampfwaffe, die Uvan-Kollemy kannte. Und er kannte einige.
Der Kampf dauerte nicht lange. Bald waren alle Tefroder tot und die Dornwürmer beschädigt. Doch damit gab sich Schechter nicht zufrieden. Er zerlegte die Technokreaturen, baute aus ihnen etwas zusammen, das sich bald als Strahler erwies – nämlich in dem Augenblick, als Schechter mit dem Ding auf die Schneekugel schoss und die Aufzeichnung abbrach.
»Ich habe ihn nicht sterben sehen«, stellte Uvan-Kollemy das allzu Offensichtliche fest.
»Natürlich nicht. Aber er muss tot sein! Dort draußen kann niemand überleben.«
»Habt ihr seine Leiche gefunden?«
»Nein.«
»Habt ihr überhaupt nach ihr gesucht?«
»Nicht besonders sorgfältig. Wir haben die Trümmer der Schneekugel geborgen und dabei das umgebende Gelände untersucht, ihn aber nicht gefunden. Den Suchradius haben wir nicht erhöht.«
»Warum nicht?«
»Wieso hätten wir es tun sollen? Es wäre unmöglich gewesen, ihn in der Eiswüste zu finden. Er könnte schon nach Minuten versunken sein, eingebrochen, überweht. Das Eis dort draußen frisst alles und jeden.«
Uvan-Kollemy betrachtete sekundenlang das Standbild der abschließenden aufgezeichneten Sekunde: Schechter, der den aus den Dornwürmern mit erstaunlichem technischem Verständnis gebauten Strahler auf die Schneekugel richtete.
Nein, nicht auf die Schneekugel, sondern auf ihn, auf Uvan-Kollemy. Und dadurch in letzter Konsequenz auf Vetris-Molaud. Denn genau das zeichnete sich in diesem Bild ab. Genau das nahm dort seinen Anfang: die Tötung des Tamarons.
»Ich glaube, du irrst dich«, sagte der Agent.
»Inwiefern?«
»Es war keineswegs unmöglich, ihn zu finden. Und weil ihr es nicht versucht habt, hat es jemand anders getan.« Uvan-Kollemy drehte sich im Sessel zu dem Aufseher. »Ich will die Aufzeichnungen des Flugverkehrs an diesem Tag sehen. Sofort!«
*
Ein paar Stunden später wusste Uvan-Kollemy Bescheid.
Am 29. August war ein Gleiter über Aunna aufgetaucht, hatte diverse Unterlagen vom Sorgfaltsministerium vorgelegt, nach denen er Messungen auf dem Planeten durchführen solle, und war nach zwei Tagen wieder verschwunden. Uvan-Kollemy ging jede Wette darauf ein, dass der Pilot bei seinem Rückflug nicht mehr allein gewesen war; er hatte die nicht sonderlich angenehme Gesellschaft eines Tomopaten, eines Auftragskillers, genossen. Nur hatte er seine Spuren nicht gründlich genug verwischt.
Sowohl das Siegel als auch die Dokumente waren zweifellos echt. Verfügte der unbekannte Retter des Tomopaten also über Kontakte zum Sorgfaltsministerium?
Uvan-Kollemy beschloss, Oc Shozdor auf diese Frage hinzuweisen. Er selbst musste sich um etwas anderes kümmern. Denn seine neue Spur trug einen Namen, denjenigen des Piloten dieses Gleiters, der im Auftrag des Sorgfaltsministeriums unterwegs gewesen war: Gador-Athinas.
Nach den Daten der Flugsicherung war der Gleiter von Pector aus gestartet, einem von Tefors Monden, jedoch nicht wieder dorthin zurückgekehrt. Also verabschiedete sich Uvan-Kollemy von Halit-Bakud, der seine Freude darüber nicht sonderlich gut verbarg.
»Ich wünsche dir ein glückliches Händchen bei der Führung der Gefangenen«, log Uvan-Kollemy. Er wünschte diesem Aufseher einen Gefangenenaufstand, der all jene Wärter in kleine, blutige Fetzen verwandelte, die sich je über eines der Picknicke amüsiert hatten.
Aunna und die Raumstation blieben hinter ihm zurück; er programmierte die Positronik auf einen Kurs zum Mond Pector, genauer: zu der Vario-Fabrik, der Gador-Athinas vorstand. Er fand heraus, dass die Fertigungsstraßen rein automatisch liefen und dass der Aufseher, eben der tefrodische Gleiterpilot namens Gador-Athinas, seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen worden war.
Genau genommen seit dem 29. August, dem Tag, an dem Schechter zu seinem letzten Picknick angetreten war.
Uvan-Kollemy lächelte. Seine Schlinge um den Tomopaten zog sich zu. Langsam ... aber unaufhaltsam.
5.
Der Gast ist Tamrat
Apsuma, 8. Oktober 1514
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