273 - Die Wandlung
und Brüder und spürte, wie glücklich sie war, an diesem Ort sein zu können. Es war der Ort ihrer Wurzeln, und auch wenn sie schon als Kind verschleppt und an Sorbans Horde verkauft worden war, fühlte sich auf dieser Insel zu Hause.
Sie gingen auf einen weiten Fest- und Versammlungsplatz außerhalb der Siedlung. Birken und Eichen umstanden das vergilbte Gras und die Feuerstellen wie stumme Wächter. Aruula musste an den heiligen Hain der Götter auf der Hauptinsel denken, auf dem sie zuletzt vor Jahren gewesen war. Sie fühlte einen wohligen Schauer und spürte, dass sie Wudan näher war als je zuvor.
Zur Feier des Tages wurden mehrere Gerule an Spießen gegrillt und sogar ein Wakuda geschlachtet. Fische lagen auf Rosten über dem Feuer und der Duft nach Tofanensuppe und gebratenen Zwiibs ließ Aruulas Magen erwartungsfroh knurren.
Tumaara wich in all der Zeit nicht von Maddrax' und Aruulas Seite. Aruula spürte ihre Unruhe, auch ohne zu lauschen . Immer wieder sah sich Tumaara um, doch Ludmeela war nicht zu entdecken. Als sie endlich in Begleitung einer Frau namens Bahafaa auf den Platz trat, stand Tumaara zittrig auf.
Es war inzwischen dunkel geworden und der Schein des Feuers tanzte auf den Gesichtern der Männer und Frauen. Über ihnen blühten schwache Sterne am nie ganz dunklen Himmel, und der Sommer schenkte ihnen eine laue Brise.
Tumaara und Ludmeela sahen einander an. Alle Gespräche verstummten. Unter den wachsamen Augen der Königin und ihren Kriegerinnen traten die beiden Frauen aufeinander zu.
»Ludmeela…« Tumaaras Stimme drohte zu brechen. »Ich…« Sie schien nicht die richtigen Worte zu finden. Ihr Blick lag auf dem Armstumpf Ludmeelas, der mit einer Lederkappe abgedeckt war. »Es tut mir leid«, keuchte sie. »Ich hätte dich nicht allein lassen dürfen.«
Über Ludmeelas schönes Gesicht huschte ein Lächeln. »Es ist fünfzehn Winter her, Tumaara. Ich habe dir schon lange vergeben.« Sie kam Tumaara entgegen und schloss sie in ihre Arme. Jubel brach aus, in dem Tumaaras Schluchzen unterging.
Aruula und Maddrax sahen einander an. Er fasste ihre Hand. »Es war richtig, Tumaara nach Hause zu bringen.«
Aruula schmiegte sich an ihn. Während um sie herum die Gespräche wieder aufbrandeten, war ihre Stimme leise. »Verstehst du denn auch, dass ich die Muhme Brabuura besuchen muss? Es ist eine große Ehre, von ihr in Wudans Namen gesegnet zu werden. Sie gilt als weise Frau unter den Kriegerinnen und ich kenne viele ihrer Töchter.«
Maddrax verwuschelte zärtlich ihre schwarzen Locken. »Du wärst nicht du, wenn du nicht gehen würdest.«
Ein Stein fiel von Aruulas Herzen. »Wir werden uns beeilen und bald zurückkehren. Du wirst sehen, schon in drei Tagen sind wir mit neuem Proviant auf der Weiterreise. So lange können die Andronen sich von dem schweren Flug erholen. Außerdem brauchen wir Karten der Inseln, auf denen die Andronen auf dem Weiterflug landen und sich ausruhen können. Sicher kann man uns hier damit aushelfen.«
Maddrax runzelte die Stirn. »Du möchtest zu Fuß gehen? Wollen wir nicht die Andronen nehmen, um zu dieser Muhme zu reisen?«
Aruula schüttelte den Kopf. »Ich habe mit Lusaana bereits darüber gesprochen. Brabuura lebt in den Bergen am Nordende, in einem Dorf hinter einem Gletscher. Um zu ihr zu gelangen, müssen wir den Gletscher überqueren, und das ist für die Tiere zu kalt. Du erinnerst dich: In den Alpen ist uns damals die Androne erfroren.«
Er nickte ergeben. Er wusste so gut wie sie, dass die Andronen empfindlich auf Kälte reagierten. Der Sturm am Nachmittag hatte es überdeutlich gezeigt. »Hauptsache, ich habe dich wieder einmal eine Nacht für mich«, flüsterte er in ihr Haar. »Ohne Tumaara, die neben uns liegt oder Wache hält.«
Sie wandte ihm das Gesicht zu und lächelte ihn an. »Wir werden sicher Zeit füreinander finden.« Sie küsste seine warmen Lippen.
Der Abend wurde laut und lustig. Brabeelenwein und süßer Honigschnaps wurden gereicht, und auch Aruula und Maddrax griffen ordentlich zu den Bechern. Aruula führte unzählige Gespräche, hörte viele Geschichten aus den letzten Jahren und stellte verwundert fest, dass sich doch einiges verändert hatte. Während die Kriegerinnen früher nie viel Wert auf ihr Äußeres gelegt hatten, trugen nun viele Frauen Schmuck, edle Stoffe oder aufwändige Frisuren. Die meisten Frauen hatten sich Teile der Augenbrauen wegzupfen lassen, ohne dass es zu einem Ritual gehörte oder sonst einem
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