Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
275 - Licht und Schatten

275 - Licht und Schatten

Titel: 275 - Licht und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
Vom Netzwerk:
hochfahrender Geist, unser Bartolomé«, fuhr Aruula fort. »Jetzt ist er ein gebrochener Mann, demütig, bescheiden und voller Schuldgefühle…« Ihre Stimme stockte, denn die Gedanken des Gottesmannes verwirrten sich zusehends.
    »Was ist geschehen, dass er sich derart verändert hat?«, fragte eine der Lauscherinnen flüsternd.
    Aruula versuchte die wirren Gedanken zu ordnen, das Wesentliche zu erkennen. »Er stürzte… in etwas hinein…« Sie flüsterte stockend; die Intensität der Gefühle, die ihr aus dem fremden Geist entgegenschlugen, drohte sie zu überwältigen. »In etwas… blau Flimmerndes…« Sie biss sich auf die Unterlippe, als sie dieses Etwas zu erkennen glaubte. Weil sie selbst es vor wenigen Wochen erst durchquert hatte, um vom Mars zurück zur Erde zu gelangen.
    Der Zeitstrahl! Dieser geisterhafte Mönch war lange Zeit im Tunnelfeld gefangen gewesen - und durch irgendetwas daraus befreit worden, so wie seine Kameraden und das Schiff, auf dem sie unterwegs gewesen waren!
    All das waren Informationen, mit denen ihre Schwestern wenig anfangen konnten, daher vereinfachte Aruula: »Er war in einer Art Zwischenreich gefangen, wo ihn ein Wesen versklavte, das die Schatten Mutter nennen und das er für Orguudoo selbst hält. Für dieses Wesen versteinern sie die Menschen und rauben ihnen die Seele!«
    Sie stockte erneut, als sie in Bartolomés Geisteswelt ein Abbild jener Mutter fand.
    »Es sieht aus wie ein… Bernsteinklumpen, so groß wie ein Kopf und mit einem faustgroßen, rötlich pulsierenden ›Herz‹ darin.«
    Auf einmal stand das Tor zum Geist des Mannes weit offen, ungehindert konnte sie ihre eigenen Gedanken hineinströmen lassen.
    »Hörst du mich, Bartolomé?« Aruula murmelte die Worte nach, die ihr Geist stumm in seinem Geist wisperte. »Ich bin es, die Jungfrau Maria. Du darfst nicht länger gegen die Menschen in dieser Festung kämpfen!« Lauter wurde ihre Stimme und energischer. »Nie wieder darfst du jemandem die Seele rauben, denn sie gehört Gott allein. Ich habe deine Gebete erhört und weiß, dass dich der Teufel selbst gefangen hält. Lehne dich gegen ihn auf, Bartolomé, und die himmlischen Heerscharen werden dir beistehen…!«
    Wie ein Schrei nach Erlösung klang es, was ihr plötzlich aus dem Geist des Fremden entgegen gellte. Aruula hielt sich die Ohren zu, obwohl doch nur ihr Geist diesen Schrei wahrnahm und nicht ihr Gehör. Als würde sich eine ganze Schar Hilfesuchender ihr an den Hals werfen, so war ihr auf einmal zumute.
    Und dann brauste ihr auf einmal ein wahrer Orkan von Empfindungen entgegen: all die Ängste, die Bartolomé de Quintanilla in seiner Seele eingeschlossen hatte, all die Verzweiflung, seine überbordende Sehnsucht nach Freiheit und Erlösung und sein überirdischer, mit keinen menschlichen Worten zu fassender Schmerz.
    Wie ein gewaltiger Schlag raste dieser Orkan aus Gefühlen und Empfindungen durch Aruulas Gehirnwindungen. Der Schock war so groß, dass sie augenblicklich das Bewusstsein verlor.
    ***
    Wie ein kleines Kind kauerte Bartolomé de Quintanilla im Gestrüpp und weinte. Er hatte den Kopf zwischen die Knie gesteckt, zerwühlte sein Haar, zitterte und klapperte mit den Zähnen.
    Die Heilige Jungfrau hatte mit ihm gesprochen! Maria selbst hatte sich seiner angenommen, und nun wimmerte, heulte und schluchzte er das ganze gesammelte Elend seines gescheiterten Lebens in ihren heiligen Schoß, in ihr göttliches Ohr.
    Und obwohl er weinte, war er doch glücklich. Ja, während dieser drei oder vier Atemzüge dort am Boden vor der Festungsmauer auf der Königsinsel war der Schatten des Dominikanermönchs Bartolomé de Quintanilla glücklich - zum ersten Mal seit bald tausend Jahren.
    O gütige Jungfrau Maria, nun weiß ich aus eigenem Erleben, dass jemand, der zu dir Zuflucht nimmt, deine Hilfe anruft und um deine Fürbitte fleht, dass ein solcher Sünder niemals verlassen sein wird…
    Eine Stiefelspitze berührte ihn unsanft an der Tonsur. Erschrocken fuhr der Padre hoch. Der ungeschlachte Maxim ragte vor ihm auf. »Hamse dir ins Hirn geschissen?«, giftete der dumpfe Schlagetot. »Du komms mir schon lang so komisch vor. Bisse nun vollkommen übergeschnappt?«
    Bartolomé stand auf, sammelte seine Gedanken. Er blickte sich um, konnte aber nirgends mehr eine Spur des Echsenmonsters entdecken.
    »Da war… ein Dämon«, begann er zögerlich und ohne viel Hoffnung, dass Maxim ihm glauben würde. »Er sah aus wie eine große Echse.«
    »'n

Weitere Kostenlose Bücher