275 - Licht und Schatten
dreißig Meter entfernten Festungsmauer zitterte der Zweig eines Busches, bewegten sich Grashalme. Ein bärtiger Mann robbte aus dem Gestrüpp, huschte zur Treppe, verschwand im Seitenflügel.
Hermon! Oder vielmehr Grao in seiner Tarngestalt.
Matt Drax huschte in den Raum, der an die Terrasse angrenzte, und von dort schlich er hinaus in die kleine Vorhalle. Dort stand Hermon und sah sich suchend um. Als er Matt gewahrte, ging er auf ihn zu. Seine menschliche Miene zeigte keine Regung.
»Wo ist die Königin, Mefju'drex«, fragte er kühl. »Ich habe ihr etwas zu sagen.«
Matt grinste freudlos. »Nenn mich nicht bei eurem Daa'murennamen«, entgegnete er. »Ich habe mich an ›Maddrax‹ gewöhnt, bleiben wir doch dabei.«
Grao ließ sich nicht anmerken, ob er verärgert war. »Wo ist die Königin, Maddrax «, wiederholte er nur. »Ich habe ihr etwas zu sagen.«
Matt Drax merkte, dass es Grao'sil'aana schwerfiel, überhaupt mit ihm zu sprechen. Er wollte nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen, nickte und winkte den Bärtigen hinter sich her. »Folge mir!« Zusammen huschten sie eine Treppe hinunter zu einem großen Kellergewölbe.
An die hundert Menschen kauerten unter den Gewölben und zwischen den tragenden Säulen. Lusaana und Juneeda erhoben sich, als Hermon sie rief.
»Fast wäre ich einem von ihnen in die Arme gelaufen«, erzählte er, als sie bei ihm standen. »Ich konnte sie beobachten - unten am Strand haben sie drei eurer Krieger versteinert, junge starke Männer, die auf sie losgingen. Diese Kreaturen können durch Wände dringen! Die dicke Festungsmauer haben sie überwunden, als wäre sie aus Morgendunst. Ich fürchte, sie sind durch keine menschliche Waffe aufzuhalten.«
Ein Tuscheln und Seufzen ging durch die Menge. Einige Menschen fingen an zu weinen, andere begannen murmelnd, Wudan und die Götter anzurufen.
»Das habe ich auch gesehen«, bestätigte Matt. »Es stimmt, was Hermon sagt. Und ihr habt ja selbst erlebt, dass sogar mein Driller nichts gegen die Schatten ausrichten kann. Mit anderen Worten: Wir sind nicht sicher hier.«
Juneeda heftete den strengen Blick ihrer grünen Augen auf Matt Drax. »Wir werden nirgendwo sicher sein, solange dieser Mann aus der Vergangenheit bei uns ist.«
Verständnislose Blicke flogen hin und her. Doch nicht lange - Schritte näherten sich auf der Treppe.
Drei Kriegerinnen tauchten zwischen den Säulen am Eingang zum Gewölbe auf. Eine von ihnen, eine kräftig gebaute Frau, trug Aruula auf den Armen.
»Was ist passiert?« Matt stürzte zu ihnen, nahm der Frau seine Gefährtin ab und legte sie zu Boden. »Aruula…!« Er beugte sich über sie. Sie lebte, war aber bewusstlos. Juneeda und Lusaana knieten ebenfalls nieder, eine Menschentraube bildete sich um sie und den blonden Mann.
»Aruula hat mit einem dieser Unheimlichen gesprochen, einem ›Gottesmann‹, wie sie ihn nannte«, berichtete die Telepathin, die sie getragen hatte. »Es war zu viel für sie; sie wurde ohnmächtig.«
»Wir müssen weg hier«, drängte Juneeda. »Unter keinen Umständen können wir noch länger bleiben!« Ihr besorgter Blick flog zwischen Matt und der Königin hin und her. »Lasst uns ins Tunnellabyrinth unter der Festung fliehen. Dort gibt es einen Geheimgang, der in eine Höhle vor einer Bucht auf der Nordseite der Königsinsel mündet.«
Lusaana, die Königin, nickte. »Mindestens ein Ruderboot müsste dort noch liegen«, sagte sie nachdenklich. »Damit können sich die Alten und die Kinder in Sicherheit bringen.« Sie wandte sich an einige Männer und Frauen und schickte sie hinauf in die Festung, um die dort die Verstreuten zu suchen und ins Kellergewölbe zu holen.
Aruula warf auf einmal den Kopf hin und her. Juneeda hob ihn hoch und flößte ihr Wasser aus einem Lederschlauch ein, der an ihrem Gurt hing. Aruula schlug die Augen auf, blinzelte und sah Matt Drax ins Gesicht. »Weg«, flüsterte sie. »Wir beide… müssen weg…«
»Aruula!« Matt Drax beugte sich zu ihr hinab. »Was hast du erfahren? Gibt es ein Mittel gegen die Schatten?«
»Ein starkes Wesen… im Schiff.« Kaum verstand Matt ihre Worte. »Es ist verrückt… nach Tachyonen…« Sie seufzte tief, schnappte nach Luft, schloss die Augen und erschlaffte. Erneut versank sie in Bewusstlosigkeit.
Der Mann aus der Vergangenheit hob den Kopf. Sein Blick traf sich mit dem der Priesterin. Juneeda musste nichts sagen, Matt Drax wusste genau, woran sie dachte: An die altersschwache Greisin Brabuura und an
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