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277 - Xij

277 - Xij

Titel: 277 - Xij Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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brauchbar macht.«
    Schmales Freundchen sollte natürlich beleidigend klingen. Xij dachte nicht daran, sich den Schuh anzuziehen. Das 25. Jahrhundert war nicht das Zeitalter des Humanismus. Vertreter von Deeskalationstheorien waren in dieser Epoche schneller zahnlos, als sie glaubten. Oder tot. Unter Barbaren war der Gutmütige immer der Dumme. Wer sich gegen muskulöse Kretins wie Dopee durchsetzen wollte, musste radikal vorgehen. Das Messer raus und, wie man im Bergischen Land zu sagen pflegte: Nit lang gekeken - ringesteken!
    Wäre Xij allein gewesen, hätte sie zunächst verbal und dann mit anderen Mitteln auf Dopee eingewirkt. Doch sie wollte Axya nicht in eine peinliche Lage bringen und Dopee aufgrund von Gesichtsverlust nicht zu Verzweiflungstaten treiben. Männer wie er wendeten, wenn sie nicht mehr mitkamen, Gewalt an.
    »Wenn Dopee den Befehl hat, niemanden ins Gewölbe zu lassen, müssen wir uns daran halten, Axya«, schnurrte Xij diplomatisch und legte eine Hand auf den Unterarm ihrer Freundin. »Komm, wir wollen ihn doch nicht in die peinliche Lage bringen, die Tochter des Hauptmanns schlagen zu müssen.«
    »Was?« Axyas Kopf fuhr herum.
    »Ja, dein schmales Freundchen hat Recht!« Dopee ließ den Säbel sinken. »Im Gewölbe könnt ihr rumschnüffeln, so viel ihr wollt, aber ins Labyrinth geht ihr nicht!« Er funkelte Axya an. »Du weißt, dass es streng geheim ist!«
    »Was soll daran denn noch geheim sein?«, fauchte Axya. »Ihr habt in den vergangenen zehn Jahren jeden alten Knopf und jeden Nagel herausgetragen, der dort im Dreck gelegen hat, und…«
    »Schweig!«, zischte Dopee. Seine Augen funkelten streng und wütend. »Bevor dein… Freundchen nicht unseren Eid gesprochen hat, muss er sich fügen.« Er stampfte mit dem Fuß auf. »Das müsste er sogar dann, wenn er, was ich mir kaum vorstellen kann, dein Bräutigam wäre.«
    »Wieso kannst du dir das nicht vorstellen?«, fauchte Axya. »Glaubst du vielleicht, seine schmale Gestalt lässt darauf schließen, dass er ein Schwächling ist?«
    »Komm, lass ihn…« Xij zupfte an Axyas Ärmel. Doch Duncayns aufgebrachte Tochter konnte es nicht leiden, wenn jemand ihren vermeintlichen Liebhaber verhöhnte.
    »Xij hat viel mehr auf dem Kasten als du«, knirschte Axya. Sie drohte dem zotteligen Dopee mit der Faust. »Und nicht nur hier oben im Kopf!« Sie deutete auf ihre Stirn und dann nach unten. »Auch da, wo sich die wahre Stärke des Mannes zeigt, kann er es mit Fünfen deiner Größe aufneh-«
    »Dopee?«, rief eine Stimme hinter ihnen.
    Axya fuhr herum. Xij zuckte zusammen.
    Dopee reckte den Hals. »Ja?«
    Die klatschenden Geräusche sich nähernder Schritte. Das Licht einer sich bewegenden Laterne.
    Es war Digg. »Andronenreiter im Anflug!«, rief er. »Kommt alle rauf! Sie sind nicht mehr fern!«
    »Die Truppen des Bärtigen Propheten?«, fragte Dopee.
    Digg zuckte die Achseln. »Keine Ahnung, aber wir wollen sie nicht hier spionieren lassen. Wir brauchen jede Armbrust.«
    Dopee rannte los. Digg lief hinterher.
    Xij und Axya schauten sich an.
    »Was glaubst du?«, fragte Axya.
    Xij zuckte die Achseln. »Würde mich nicht wundern, wenn es Thodrich ist. Er ist ja entkommen…« Sie zückte den Nadler. Wenn er es ist , dachte sie, geht's jetzt ums Ganze. Und als sie im Schein der Laterne hinter Axya durch die Gänge lief, sang ihr Herz: Give me hope, help me cope with this heavy load…
    ***
    »Hei-ho!« Matthew Drax, zwischen 2004 und 2012 Pilot der US Air Force, seit zehn Jahren freischaffender Weltreisender in einer fernen Zukunft, war unendlich erleichtert, als sein Blick auf den Ostzipfel Schottlands fiel.
    Erst vor kurzem waren seine Gefährtin und er einem heftigen Sturm über der Nordsee entronnen, der sie gepackt und mitsamt ihren fliegenden Reittieren umher gewirbelt hatte. Aruulas Verwünschungen hallten noch in seinen Ohren. Dass sie nicht abgestürzt oder getrennt worden waren, grenzte an ein Wunder.
    Nun war der Sturm abgeflaut und endlich kam Land in Sicht! Es wurde auch höchste Zeit, denn die Tiere waren nicht erst seit dem Sturm erschöpft. Die lange Flugzeit von den Dreizehn Inseln herüber hatte sie alle Kraft gekostet.
    Obwohl die Sonne schon vor Stunden aufgegangen war, war es dort unten neblig. Erstaunlicherweise war die schottische Küste nun grün wie Irland und so waldreich wie das Baltikum. Als Jetpilot war Matthew irgendwann mal an dieser Küste entlang geflogen: Zwar war es hier auch im 21. Jahrhundert grün gewesen,

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