279 - Der Fluch von Leeds
gehörigen Schrecken eingejagt.«
Waren es nun O'Donels Worte oder die Notfalltropfen: Irgendwann kehrte die Farbe in Anns Gesicht zurück. Sogar ein schiefes Lächeln brachte sie zustande. Sehr zum Verdruss des Technos aus Leeds, dem langsam klar wurde, dass die Kleine nicht seinetwegen hier war. Von einem der Notsitze an der gegenüberliegenden Bordwand aus beobachtete er missmutig, wie das Mädchen gierig von dem Brot und getrockneten Fisch aß, die der junge Pilot ihr reichte. Nach dem Mahl ging es ihr bereits gut genug, um Fletscher finstere Blicke zuwerfen zu können. Dann kramte sie Zettelblock und Stift hervor, die sie an einer Kordel um ihren Hals trug, und begann sich schriftlich mit dem rothaarigen O'Donel zu verständigen.
Erst lange nachdem Ann eingeschlafen war und sie die Gerätschaft im hinteren Segment aufgeräumt und wieder gesichert hatten, erfuhren Fletscher und Allison von O'Donel den Grund für Anns Flucht aus dem Bunker. »Hätte sie sich in dem anderen EWAT im Hangar versteckt, wäre sie jetzt wahrscheinlich in Cill Airne«, beendete Ryaan seinen Bericht.
»Wie auch immer. Die Vorstellung, ein Kind bei unserer Mission dabei zu haben, gefällt mir ganz und gar nicht.« Nervös trommelte Allisons Zeigefinger gegen sein Kinn. »Doch zur Umkehr nach Luimneach ist es jetzt zu spät. Uns bleibt also keine Wahl.« Damit griff er zum Funkgerät und informierte die Bunkerkommandantin über die neue Situation.
Fletscher konnte seine Erleichterung kaum verbergen. Die Hoffnung stirbt zuletzt , dachte er. In Leeds würde sich vielleicht doch noch eine Möglichkeit finden, die kleine Ann zum Bleiben zu bewegen. Mit einem zufriedenen Grunzen lehnte er sich in seinen Sessel zurück.
***
Leeds im Norden Britanas, Stunden später
Die Sonne stand tief im Westen, als der EWAT aus Luimneach Leeds erreichte. Wie eine Insel lag die Siedlung zwischen den beiden Flussarmen der Aaire und des Whaart. Größer als Luimneach und schwer befestigt: Ein Palisadenwall umschloss fast die gesamte Stadt. Nur an der oberen Biegung der Aaire ragte anstelle der Palisaden ein grauer Steinquader aus der Erde. Fletscher verlagerte seinen Sitz auf die Kante des Copilotensessels. »Wallbridge«, flüsterte er heiser.
»Wie weit sollen wir uns nähern?«, hörte er neben sich O'Donel fragen.
»Zweitausend Fuß«, antwortete in seinem Rücken Allison, der dabei war, Ann Drax in einem der Notsitze anzuschnallen. Den Blick auf den grauen Quader geheftet, lauschte Fletscher dem Klicken der Sicherheitsgurte und den Schritten des EWAT-Kommandanten, als dieser zu seinem Navigationspult zurückkehrte. Er lauschte dem leisen Brummen des Trilithium-Reaktors und dem monotonen Rauschen, das aus den Lautsprechern der Armaturenkonsole drang.
Als die ersten Dörfer vor Leeds aufgetaucht waren, hatte er Ryaan O'Donel die Daten der alten Funkfrequenz seines Bunkers genannt. Obwohl sein Gedächtnis ihn noch nie im Stich gelassen hatte, war er dennoch überrascht gewesen, als der Pilot die Lautsprecher mit den Worten »Wir sind auf Sendung, Major« eingeschaltet und ihm ein Mikro in die Hand gedrückt hatte.
Jetzt, so kurz vor dem Ziel, wog das Mikro in seiner Hand schwer wie ein Stein. Ungefähr so schwer wie das Herz in seiner Brust. Was erwartete ihn da unten? Was, wenn es die Community nicht mehr gab? Ein Major kennt keine Furcht! Er straffte die Schultern und presste das Mikro an seine Lippen. »Wallbridge, bitte melden!«
Angespannt blickte er zu dem immer näher rückenden Quader. Im Licht der untergehenden Sonne schimmerte der Bunker jetzt in warmem Orange. Ein schmaler Waldgürtel trennte ihn von den Ruinenbauten der Stadt. An seiner Frontseite lag das silberne Flussband der Aaire, über das sich ein Brückenkonstrukt schwang. Einst rollten schwere Züge darüber. Heute verband sie das Festland mit dem Hauptzugang des Bunkers. Fletscher bemerkte, wie der EWAT an Geschwindigkeit verlor und die Maschinengeräusche leiser wurden. Aus den Lautsprechern war immer noch das monotone Rauschen zu hören.
»Wallbridge, hören Sie mich? Hier spricht Major Robin Fletscher. Bitte melden!«, wiederholte der Mann aus Leeds seine Aufforderung.
Nichts!
In seinem Rücken räusperte sich Hugh Allison. Er hatte wohl inzwischen durch die Außenkameras das Bild des Bunkerkomplexes herangezoomt. »Am Schott bei der Brücke tut sich nichts. Gibt es noch einen anderen Zugang?«, wollte er wissen.
»Jeweils ein Schott an der Vorder- und Rückseite«,
Weitere Kostenlose Bücher