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28 - Im Lande des Mahdi II

28 - Im Lande des Mahdi II

Titel: 28 - Im Lande des Mahdi II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihm noch gebunden, und an den aufgesprungenen Füßen wimmelte es bereits von Insekten, welche seine Schmerzen vermehrten. Ich stieg ab und durchschnitt die Schnur, so daß er nun die Hände frei hatte; dann legte ich ihm den Wasserschlauch hin und fügte schließlich den Mundvorrat hinzu, den ich in dem Sattelbeutel bei mir führte. Es war genug für einige Tage. Er sah mir dabei zu, ohne ein Wort zu sagen.
    „Hier hast du, damit du nicht verschmachtest“, bedeutete ich ihm. „Mehr kann ich nicht für dich tun.“
    Er antwortete mir nur mit einem giftigen Zischen.
    „Hast du einen Wunsch?“
    Er schwieg.
    „Nicht? Dann lebe wohl! Zwei Stunden von hier, gerade gegen Osten, liegt der Nil. Du wirst ihn, noch ehe der Proviant ausgeht, erreichen können.“
    Ich stieg wieder auf. Als mein Kamel zu schreiten begann, ertönten hinter mir die dankbaren Worte:
    „Allah verdamme dich. Fürchte die Rache, die Rache!“
    Bald hatte ich den Zug erreicht und gesellte mich zu dem voranreitenden Emir. Es war gar nicht notwendig, daß wir bei dem ersteren blieben, da ein Unfall nicht zu befürchten stand. Wir waren nicht nötig und ritten darum voraus, um Zeit zu ersparen und eher bei dem Schiff anzukommen. Dort begaben wir uns in die Kajüte, wo der Emir das erwähnte Empfehlungsschreiben anfertigte. Dann drückte er mir einen Beutel in die Hand, indem er sagte:
    „Du wirst in Faschodah Ausgaben für mich zu machen haben. Verfüge über dieses Geld, als ob es dein Eigentum wäre! Ich nehme nichts davon wieder.“
    Als der Zug anlangte, bekümmerte ich mich um nichts als um die Vorbereitungen, welche wir zu dem bevorstehenden Ritt zu treffen hatten. Wir wurden mit allem Nötigen reichlich versehen und verabschiedeten uns kurz nach dem Nachmittagsgebet, da wir heute noch eine tüchtige Strecke zurücklegen wollten.
    Meine Löwenhaut nahm der Emir nach Karthum mit, wo sie zubereitet werden sollte und ich sie später abholen wollte. Unser Weg führte nicht am Nil hin, dessen Krümmungen wir vermeiden mußten, sondern wir suchten die freie Ebene auf, welche uns ein viel schnelleres Fortkommen bot. Um das, was wir erleben würden, sorgten wir uns nicht.

VIERTES KAPITEL
    Beim ‚Vater der Fünfhundert‘
    Zwei Menschen, ganz allein in der weiten Wüste! Die Sonne brennt so glühend hernieder, daß man sich wie gebraten fühlt und, um nicht geblendet zu werden, die Kapuze des Haïk weit über das Gesicht ziehen muß. Zu sprechen gibt es nichts; man hat sich ja längst ausgesprochen. Zudem liegt die Zunge zu schwer in dem trockenen Mund, daß man, auch wenn Unterhaltungsstoff vorhanden wäre, doch lieber schweigen würde. Vorn, hinten, rechts und links Sand! Die Kamele gehen ihren Schritt, mechanisch wie aufgezogene Maschinen. Sie besitzen nicht das Temperament des edlen Rosses, welches dem Reiter zeigt, daß es sich mit ihm freut und auch mit ihm leidet. Der Herr kann mit seinem Roß eins sein, mit dem Kamel aber nie, selbst wenn es das kostbarste Hedschihn wäre. Dies spricht sich schon äußerlich durch die Art und Weise aus, wie er auf dem ersteren und wie auf dem letzteren sitzt.
    Der Reisige umarmt den Leib des Rosses mit den Beinen; er hat ‚Schluß‘ und macht dadurch die Sage vom Zentauren wahr. Diese Umschlingung bringt die Glieder, die Muskeln und Nerven des Mannes mit denen des Pferdes in innige Berührung. Das Roß fühlt die Absichten des Reiters, noch ehe dieser sie äußerlich zur Andeutung bringt. Es gewinnt ihn lieb; es wagt mit ihm; es fliegt mit ihm, und es geht mit vollem Bewußtsein dessen, was es tut, mit ihm in den Tod.
    Ganz anders beim Kamel. Auf hohem Höcker im Sattel sitzend, berührt der Reiter das Tier nur, indem er seine Füße über den Hals kreuzt. Es gibt nicht den mindesten ‚Schluß‘, keine äußere und also auch keine innere Vereinigung. So hoch er auf oder über ihm thront, so tief bleibt es im geistigen Verständnis für ihn zurück. Ist es gutmütig, so gehorcht es ihm wie ein Sklave, ohne die Spur einer eigenen Individualität zu zeigen; ist es aber bösartig und störrisch, wie die meisten sind, so steht es mit ihm in einem immerwährenden Kampf, welcher ihn ermüden und endlich gar mit Widerwillen erfüllen muß. Wirkliche Liebe für seinen Herrn wird man bei einem Kamel nur äußerst selten beobachten.
    Das ist es, was einen einsamen Ritt durch die Wüste noch einsamer macht. Man fühlt ein lebendes Wesen unter sich und kann sich doch nicht mit ihm beschäftigen. Das Pferd gibt durch

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