28 - Im Lande des Mahdi II
Ziel näherten. Der südliche Horizont, welcher bis dahin mit dem Himmel verschwommen gewesen war, stach jetzt dunkel gegen denselben ab, und da diese dunkle Linie hier in dieser Gegend unmöglich einen Bergzug bedeuten konnte, mußten wir sie als das Anzeichen eines Waldes nehmen.
Wir erreichten denselben an einer Stelle, wo er nur schmal war, weil das Nid en Nil hier eine so tiefe Einsenkung bildete, daß das Wasser desselben die hohen Ufer fast nie berühren und befruchten konnte. Die Steilung, hüben und drüben wieder hinauf, war so bedeutend, daß wir sie unmöglich mit unseren Kamelen passieren konnten. Darum mußten wir so lange am Ufer hinreiten, bis wir eine zum Übergang geeignete Stelle fanden.
Dieses Nid en Nil ist ein Regenbett, welches im Charif (Regenzeit) jedenfalls eine reiche Menge Wassers führt; jetzt aber war die Stelle, an welcher wir auf dieses Bett gestoßen waren, schon vollständig trocken. Nach einer Viertelstunde jedoch verflachten sich die Ufer und bildeten einer Maijeh oder vielmehr eine Art See, dessen Wasser so hell und klar war, daß er nicht wohl ein Sumpf genannt werden konnte. Er war so breit, daß man das anderer Ufer nicht sehen konnte. Das unsrige war mit hohen Bäumen besetzt.
Da wir hier nicht hinüber konnten, mußten wir weiterreiten. Der See machte bald eine Krümmung nach links und ging dann in einen schmalen Arm stehenden Gewässers über, welcher ihn mit einem zweiten, noch größeren See verband. Das Wasser dieses Armes konnte nicht tief sein, denn es ragten zahlreiche, stark bewipfelte Bäume aus demselben empor; jedenfalls trocknete es noch vor der heißen Jahreszeit vollständig aus. Hier war es wohl nicht schwer, hinüberzukommen; darum beschloß ich, an dieser Stelle Halt und Lager zu machen.
Wir stiegen also ab, ließen die Kamele von dem ziemlich reinen Wasser trinken und banden sie dann an die Sträucher, welche am Ufer unter den Bäumen standen. So konnten sie von den saftigen Zweigen derselben fressen. Als wir nachher beschäftigt waren, dürres Geäst für ein Feuer zu suchen, um uns gegen die am Wasser stets vorhandenen Stechmücken zu schützen, sahen wir die Karawane kommen, welche wir vorhin beobachtet hatten. Die voranreitenden Männer, bei denen sich ein wahrer Goliath befand, hielten an und betrachteten uns von weitem. Dann kam der Riese auf uns zu, musterte uns aufmerksam und mit finsteren Blicken, ritt auch an die Sträucher, um zwischen dieselben hinein- und über sie hinwegzublicken, und fragte dann, ohne vorher zu grüßen:
„Was tut ihr hier an der Mahada ed Dill?“
Dieser Name bedeutet Furt des Schattens, schattige Furt; wir hatten also richtig eine Stelle getroffen, an welcher man über das Nid en Nil kommen konnte. Wenn im Orient jemand bei irgendeiner Begegnung nicht grüßt, so ist das stets ein schlechtes Zeichen. Dieser Mann machte überhaupt keinen vertrauenerweckenden Eindruck. Darum antwortete ich kurz:
„Wir ruhen aus, wie du siehst.“
„Werdet ihr des Nachts hierbleiben?“
„Das kommt darauf an, ob es uns hier gefällt und ob wir ungestört sein werden.“
„Seid ihr allein?“
„Frage nicht uns, sondern deine Augen!“
„Dir scheint man die Vorzüge der Höflichkeit nicht beigebracht zu haben!“
„Ich besitze sie; aber ich pflege sie nur dann zu zeigen, wenn man auch gegen mich höflich ist. Du hast uns den Gruß versagt.“
„Ich kenne euch nicht; sage, wer du bist!“
„Erst dann, wenn ich deinen Namen und Stand erfahren habe.“
„Ich stehe höher als du, folglich mußt du mir zuerst Auskunft geben. Wisse, ich bin Schedid, der tapferste Krieger des Königs der Takaleh!“
„Und ich bin der Mudir von Dscharabub. Hoffentlich kennst du diesen Ort!“
Wie mir dieser Name auf die Zunge kam, das hätte ich damals ebensowenig sagen können, wie ich es heute sagen kann. Der Ort ist bekannt, weil der berühmteste mohammedanische Orden der Neuzeit dort gegründet wurde; aber einen Mudir gibt es da nicht und hat es nie gegeben. Ich legte mir diesen Rang bei, um dem Takaleh zu imponieren. Wer und was ich war, wollte und durfte ich ihm aus naheliegenden Gründen nicht sagen. Eine Unwahrheit ist wohl ein geringeres Verbrechen als eine Aufrichtigkeit, durch welche man nicht nur zum Selbstmörder wird, sondern auch das Wohl oder gar das Leben anderer auf das Spiel setzt.
„Ich habe von diesem Ort noch nie etwas gehört“, antwortete er in wegwerfendem Ton. „Deine Mudirieh wird wohl eine von den Termiten
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