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28 - Im Lande des Mahdi II

28 - Im Lande des Mahdi II

Titel: 28 - Im Lande des Mahdi II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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einer Viertelstunde werden wir sie erblicken.“
    Es war mit unserer geistigen Müdigkeit vorbei. Der Schrei des Falken hatte uns wachgerufen. Wir lenkten nach Südwest, und ich behielt, indem wir dieser Richtung folgten, die Falken scharf im Auge. Dies tat ich, um die Entfernung abzuschätzen, und der Karawane nicht etwa so nahe zu kommen, daß wir von ihr aus mit dem unbewaffneten Auge gesehen werden konnten. Der Boden war nämlich eben; wir konnten uns nicht verstecken. Der Charakter der Wüste mußte sich erst gegen Abend verändern, um welche Zeit wir an das Nid en Nil zu gelangen dachten, ein langes und stellenweise sehr breites Regenbett, welches um diese Jahreszeit viel Wasser enthielt. Ich hatte von diesem Nid en Nil sagen hören, daß es sogar in der trockensten Jahreszeit Wasser enthalte und, da es eigentlich niemals austrockne, den Aufenthalt von Nilpferden bilde. Daß diese Tiere so weit nördlich vorkommen könnten, hatte ich bisher nicht gedacht.
    Nach ungefähr einer Viertelstunde waren mir die Falken im Fernrohr so nahe gekommen, daß ich es für gut fand, anzuhalten und das Rohr nun gegen die Erde zu richten. Ich versuchte es erst mit dem bloßen Auge; da war nichts zu sehen. Aber durch das Perspektiv – wirklich, da ritten und da liefen sie, eine lange Reihe von Tieren und Menschen. Ich hatte mich also nicht geirrt. Als ich genug gesehen hatte, gab ich Ben Nil das Rohr. Er mußte lange suchen, ehe er die Karawane fand; dann beobachtete er sie ebenso lange und sagte endlich:
    „Effendi, du hattest recht. Es ist eine Karawane. Ich hätte das nicht erraten, und wenn noch so viele Falken gekommen wären. Es sind zwanzig Reiter und fünfundvierzig Fußgänger. Was für eine Karawane mag dies sein? Man geht doch nicht zu Fuß durch die Wüste! Es wird doch nicht etwa eine Sklavenkarawane sein!“
    „Beinahe undenkbar! Wo sollen hier die Sklaven herkommen? Und eine Sklavenkarawane am weißen Nil, welche von Nord nach Süd zieht, das wäre jedenfalls höchst sonderbar. Die entgegengesetzte Richtung ist die gewöhnliche: die Sklavenjäger holen ihre Ware aus dem Süden und schaffen sie nordwärts.“
    „Was für ein Land liegt denn in der Gegend, aus welcher diese Leute zu kommen scheinen?“
    „Das Land der Takaleh. Doch warte! Bei der Nennung dieses Namens fällt mir ein, daß die Takaleh, obwohl sie Mohammedaner sind, die verwerfliche Gewohnheit haben, ihre Kinder zu verkaufen.“
    „Allah! Welch eine Sünde und Schande! Wer wird seinen Sohn oder seine Tochter um Geld verschachern! Diese Takaleh sind gewiß Neger!“
    „Sie sind nicht ganz schwarz, und man darf sie nicht etwa für tiefstehende und unbefähigte Menschen halten. Als Ägypten den Sudan eroberte, haben die Takaleh am längsten widerstanden. Sie sind tapfere Krieger und durch den Kampf mit den Ägyptern sehr berühmt geworden. Das Land Takaleh zeichnet sich aus durch seine reichen Kupferminen und durch die Gastfreundschaft, welche seine Bewohner gegen jeden Fremden, welcher bei ihnen einkehrt, üben. Dies letztere darf aber nicht dazu verleiten, ihnen außerhalb der Gastverhältnisse eine allzu große Freundlichkeit zuzutrauen. Sie stehen unter einem Mek (vom arab. Melek – König), welcher das Recht hat, diejenigen Untertanen, welche ihm nicht gehorchen oder ihm sonst aus irgendeinem Grund mißliebig geworden sind, als Sklaven zu verkaufen. Kriegsgefangene können auch, wenn sie nicht, wie der alte Gebrauch vorschreibt, alle niedergemetzelt werden, verkauft werden.“
    „Dann ist es sehr leicht möglich, daß diese Karawane aus solchen Verkauften besteht. Meinst du, daß wir, wenn wir diesen Leuten begegnen, etwas von ihnen zu befürchten haben?“
    „Wohl nicht. Es gibt ja weder bei uns noch bei ihnen ein Interesse, sich an dem andern zu reiben.“
    „Wollen wir hinüber zu ihnen?“
    „Nein. Wenn wir sie auch nicht zu scheuen haben, so gibt es auch keinen Grund, sie gerade aufzusuchen. Wir wollen noch vor Abend am Nid el Nil sein und machen dort Lager. Treffen sie da auf uns, nun, so sind sie eben da; aber geradezu aufzusuchen brauchen wir sie nicht.“
    Wir schwenkten wieder nach Süden ein. Die Monotonie des Rittes war glücklich unterbrochen worden, und die Erwartung, ob wir eine Begegnung mit der Karawane haben würden oder nicht, ließ es nicht wieder zu dem Zustand innerlicher Versenktheit kommen, in welchem wir uns vorher befunden hatten.
    Der Nachmittag verging, und gegen Abend bemerkten wir, daß wir uns dem heutigen

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