28 - Im Lande des Mahdi II
Wiehern, Schnauben, durch die Bewegungen der Ohren und des Schwanzes, durch verschiedene Modulationen des Ganges seine Gefühle zu erkennen; es spricht mit dem Reiter, es teilt sich ihm mit. Das Kamel schreitet gleichmäßig weiter und weiter, es trägt seinen Herrn tage- und wochenlang, lernt ihn aber trotzdem nicht kennen.
Dann wird ein solcher Ritt durch die Einöde zur wahren Pein, und mit Freuden begrüßt man die kleinste Unterbrechung, welche einem ein günstiger Zufall entgegenschickt.
Unsere beiden Hedschihn gehörten zur Klasse der gutwilligen Kamele. Hatten wir uns aufgesetzt, so begannen sie zu laufen ‚wie die Schneider‘, sagt der Deutsche, und sie liefen wie die Schneider und immer weiter, immer in einem und demselben Tempo, ohne sich zu weigern, ohne einmal anzuhalten, ohne die leiseste Spur irgendeiner selbständigen Willensregung zu zeigen. Das war entsetzlich langweilig; man verlor zuletzt selbst den Willen; man schlief innerlich ein und behielt nichts als nur das öde Bewußtsein, daß man in einer endlosen geraden Linie durch den Sand getragen werde.
Da weckte mich ein scharfer Schrei aus dem Zustand der seelischen Erschlaffung, in welchen ich gesunken war. Auch Ben Nil fuhr auf und blickte empor in die Luft, in welcher der Schrei erklungen war.
„Schahin!“ sagte er, mit der Hand nach oben deutend; dann sank er wieder in sich selbst zusammen. Ja, es war ein Schahin, ein Falke, dessen Schrei wir gehört hatten. Er kreiste hoch über uns. Das Erscheinen dieses Vogels schien für Ben Nil gar nicht beachtenswert zu sein; ich aber hatte sofort meine ganze Energie wiedergewonnen.
„Aufpassen! Es kommt jemand!“ sagte ich.
Ben Nil richtete sich wieder empor und sah sich um. Als er innerhalb des Gesichtskreises keinen Menschen erblickte, meinte er:
„Hat mir denn die Sonne die Sehkraft geraubt? Ich sehe niemand, Effendi.“
„Ich auch nicht; aber wir werden jedenfalls bald eine Begegnung haben. Ein Falke schlägt nur lebende Beute; er frißt niemals Aas. Wenn er sich hier in der Wüste befindet, welche keine Lebewesen beherbergt, so muß er einer Karawane gefolgt sein.“
„Oder er hat sich verflogen oder befindet sich auf der Reise.“
„Ein Falke, hier, sich verfliegen? Nein. Passen wir auf, wie dieser Vogel sich verhält.“
Die Blicke auf den Falken gerichtet, beobachteten wir ihn. Er schwebte noch immer über uns, um uns zu beobachten. Da hörten wir wieder einen Schrei, und ein zweiter Falke kam geflogen, von Westen her, und gesellte sich zu dem ersten; sie kreisten miteinander einige Male über uns und flogen dann wieder fort, der Richtung entgegen, aus welcher sie gekommen waren.
„Das waren wohl Männchen und Weibchen“, meinte Ben Nil.
„Ja“, antwortete ich, indem ich mein Kamel anhielt und das Fernrohr ergriff, um mit demselben den Flug der Vögel zu verfolgen.
„Bleib auch halten! Es ist immer gut zu wissen, was geschehen wird.“
„Hier kannst du doch nicht eher etwas wissen, als bist du es siehst.“
„Ich habe es ja schon gesehen, nämlich die Falken. Sie sind in gerade westlicher Richtung fort; ich sehe sie deutlich – – – jetzt beginnen sie wieder im Bogen zu fliegen; sie kreisen.“ Und nachdem ich die Vögel vielleicht zwei Minuten lang beobachtet hatte, fuhr ich fort: „Sie ziehen immer noch ihre Kreise, bewegen sich aber dabei nach Süden. Daraus ziehe ich den Schluß: Da drüben bewegt sich eine Karawane. Sie kommt von nordwärts her und bewegt sich nach Süden, und zwar so langsam, daß ich fast vermuten möchte, daß Fußgänger dabei sind!“
„Woher weißt du, daß sie sich so langsam bewegt?“
„Die Falken schweben über der Karawane; das Tempo der Vögel ist auch dasjenige der Menschen.“
„Effendi, du weißt wirklich Dinge aus Gedanken hervorzuzaubern! Werden wir auf diese Leute treffen?“
„Ja, wenn wir sie nicht absichtlich vermeiden wollen. Sie sind so weit von uns entfernt, daß ein Fußgänger den Weg in einer Stunde zurücklegen kann.“
„W' Allah! Wie kannst du das denn so genau wissen? Das haben dir die Falken doch jedenfalls nicht gesagt!“
„Wer sonst als sie! Man weiß doch wohl, wie schnell ein Falke fliegt; ich weiß auch, wie lange diese beiden brauchten, um von uns wieder dort hinüberzukommen; aus diesen beiden Zahlen ist die Entfernung sehr leicht zu berechnen.“
„Ist es möglich, sie zu beobachten, ohne daß sie uns sehen können?“
„Durch das Fernrohr allerdings. Wollen einmal hinüber. In
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