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28 - Im Lande des Mahdi II

28 - Im Lande des Mahdi II

Titel: 28 - Im Lande des Mahdi II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zernagte sein!“
    „Allah verzeihe dir diese Unwissenheit! Hast du denn noch nie von Sihdi Senussi gehört?“
    „Allah durchbohre mich! Wie kannst du einen frommen Gläubigen mit dieser Frage beleidigen. Alles, was auf der Erde lebt, weiß, daß Sihdi Senussi der größte Prophet ist, welcher das Wort des Islam predigt. Kennst du die Orte Siwah und Farafrah?“
    „Natürlich!“
    „Sie leuchten wie die Sterne vor allen Orten der Erde, denn dort befinden sich die Universitäten, in denen die Schüler und Jünger von Sihdi Senussi gebildet werden.“
    „Das weißt du und kennst doch Dscharabub nicht, welches noch viel heller leuchtet? Ja, in Dscharabub residiert Sihdi Senussi; in Siwah und Farafrah befinden sich nur seine Schulen. Alle drei Orte aber gehören zu meiner Mudirieh. Von ihnen geht das reinste Licht des Islam aus, vor welchem die Schatten aller Irrlehrer weichen müssen. Mein Haus und dasjenige des Sihdi haben miteinander ein einziges Tor, wir leben unter einem Dach und trinken aus demselben Schlauch. Nun sage mir, wer höher steht, du oder ich? Wehe dem, der mir den Gruß verweigert! Es wird ihm ergehen wie dem Lästerer, von welchem die hundertvierte Sure spricht: ‚Er wird hinabgeworfen in Hutama (Beiname der Hölle). El Hutama aber ist das angezündete Feuer Allahs, welches über die Frevler zusammenschlägt!‘ Jetzt brüste dich weiter, o Schedid, der du nichts als nur der Diener eines Menschen bist!“
    Da ließ er sein Kamel vor mir niederknien, stieg ab, verneigte sich tief und sagte:
    „Laß die Sonne deiner Verzeihung über mir aufgehen, o Mudir! Ich konnte doch nicht ahnen, daß du der Freund und Gefährte dieses heiligen Senussi bist. Euer Orden wird die ganze Welt umfassen, und vor eurer Macht werden sich beugen alle Menschen, welche leben und noch leben werden. Wie soll ich deinen jungen Gefährten nennen?“
    „Die Zahl seiner Jahre beträgt nicht viel, aber die Vorzüge seines Geistes haben ihn schon berühmt gemacht. Er wurde auf der Universität von Farafrah gebildet und ist mit mir ausgezogen, um den Glanz unseres Ordens auch in diesem Land hier leuchten zu lassen. Er ist Chatib (Prediger). Nenne ihn so!“
    Das wäre etwas für Selim, den Aufschneider, gewesen! Dieser hätte gewiß sofort eine fulminante Rede gehalten, welche von Eigenlob übergeflossen wäre. Ben Nil aber sagte nur, und zwar im würdevollsten Ton, der ihm möglich war:
    „Du hast dich gegen uns vergangen, weil du uns nicht kanntest. Wir verzeihen dir.“
    Daß er als Mohammedaner die Unwahrheiten, deren ich mich schuldig gemacht hatte, bestätigte, war ein Zeichen, wie lieb er mich hatte. Der Takaleh befand sich in einer sichtbaren Verlegenheit. Ich sah es ihm an, daß er gern in unserer Nähe lagern wollte, dies aber mit der Hochachtung, welche er uns schuldig zu sein glaubte, nicht für vereinbar hielt. Er blickte nach seiner Karawane, welche halten geblieben war, zurück und sagte:
    „Wir wollten bis morgen hier an dieser Stelle bleiben; nun aber werden wir uns wohl einen anderen Ort suchen müssen, weil wir es doch nicht wagen können, in der Nähe so heiliger Männer zu lagern.“
    „Vor Allah sind alle Menschen gleich. Ich erlaube euch also, hier bei uns Platz zu nehmen“, antwortete ich.
    „Ich danke dir, o Mudir, und gebe dir die Versicherung, daß meine Leute sehr andachtsvolle Zuhörer eurer Reden sein werden.“
    „Glaube nicht, daß wir euch Predigten halten. Alles zu seiner Zeit und am rechten Ort. Das Wort darf nur dann vom Mund fließen, wenn der Geist im Innern mächtig wird.“
    Es konnte mir natürlich nicht einfallen, hier als mohammedanischer Missionar aufzutreten. Ich hatte imponieren wollen und weiter nichts, und das war mir gelungen, wie das völlig veränderte Benehmen dieses Takaleh bewies. Aber trotz seiner gezeigten tiefen Ehrerbietung stieß er mich in einer Weise ab, daß ich ihn am liebsten weit von mir fort gewünscht hätte. Seine Züge waren regelmäßig, und seine Stimme hatte einen kräftigen, wohllautenden Klang; daß er mir trotzdem so sehr unsympathisch war, hatte keine äußeren, sondern innere Gründe, über welche ich mir freilich selbst keine Rechenschaft zu geben vermochte.
    Er winkte seinen Leuten, herbeizukommen. Wir hatten uns nicht geirrt; es waren gerade so viele Personen, wie wir gezählt hatten. Jetzt konnten wir, was vorhin durch das Rohr nicht möglich gewesen war, auch die beiden Geschlechter unterscheiden. Die Hälfte der Fußgänger waren nämlich

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