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28 - Im Lande des Mahdi II

28 - Im Lande des Mahdi II

Titel: 28 - Im Lande des Mahdi II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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eigentlich Fußgängerinnen; allen aber waren, was wir erst jetzt bemerkten, die gefesselten Hände an einem langen Seil befestigt; sie waren also Gefangene.
    Die Reiter brachten sie getrieben. Schedid rief ihnen einige Worte zu, auf welche hin man uns mit großer Demut grüßte. Nachdem die ersteren abgestiegen waren, versorgten sie erst ihre Tiere und führten dann die Gefangenen am Seil zum Wasser, damit auch sie trinken sollen. Dann mußten die letzteren, welche gar nicht losgebunden wurden, sich in unserer unmittelbaren Nähe niederlegen. Sie gehorchten in einer Weise, daß man sah, sie hatten sich in ihr Schicksal vollständig ergeben.
    Was mir auffiel, war, daß zwischen den Gefangenen und ihren Begleitern nicht der geringste Unterschied im Typus zu entdecken war, sie schienen zu demselben Volk und Stamm zu gehören. Ihre Farbe war nicht schwarz, sondern schwärzlich-braun, ihr Bart schwach und ihr Haar nicht gekräuselt, sondern starr. Der Anführer erteilte fünf von seinen Leuten die besondere Aufgabe, auf die Gefangenen zu achten, und sagte zu den übrigen:
    „Öffnet eure Augen, ihr Leute, und seht hier zwei Männer, deren Gebete euch der Himmel zu öffnen vermögen! Hier sitzt der berühmte und heilige Mudir von Dscharabub, welcher ein Oberster der Senussi ist und mit Sihdi Senussi in einem Haus wohnt, und neben ihm erblickt ihr einen frommen Jüngling, dem trotz seiner Jugend die Gabe gegeben ist, die reinen Lehren des Koran zu verkündigen. Beugt euch vor ihnen, und laßt es euch nicht einfallen, ihnen durch unbedachte Worte lästig zu werden!“
    Diese letztere Mahnung konnte auch in anderen Worten lauten: „Seid klug und vorsichtig, und verratet nicht durch unbedachte Reden, daß wir schlechte Kerle sind!“ Sie verschlangen die Arme über der Brust und beugten sich dann fast bis zur Erde nieder. Nachher setzten sie sich so nahe zu uns, daß sie uns zwar nicht lästig fielen, aber alles, was wir sprachen, hören konnten. Sie nahmen ihre Speisevorräte aus den Säcken, um einen Imbiß zu halten, aber die Gefangenen bekamen nichts. Darum fragte ich Schedid:
    „Meinst du nicht, daß die anderen auch Hunger haben?“
    „Was geht es mich an, wenn sie hungern?“ antwortete er. „Sie bekommen täglich einmal zu essen und zu trinken. Wenn sie jetzt Hunger haben, so mögen sie schlafen. Sie sind Reqiq und haben übrigens heute schon mehr erhalten, als sie erwarten können, denn sie haben hier getrunken.“
    „Wasser aus dem See, während ihr aus den Schläuchen nahmt!“
    „Für Reqiq ist Wasser Wasser. Wenn es ihnen nicht schmeckt, so kann ich es nicht ändern.“
    „Sie sind also Sklaven. Wo hast du sie gekauft?“
    „Gekauft? O Mudir, wie sind die Heiligen, welche alle Himmel kennen, doch so unerfahren auf der Erde! Ein Takaleh kauft niemals Reqiq, sondern er macht sie sich.“
    „So sind diese Sklaven deine Stammesgenossen?“
    „Natürlich!“
    „Was haben sie getan, daß man sie zu Reqiq gemacht hat?“
    „Getan? Eigentlich nichts. Der Mek braucht Geld; darum verkauft er sie.“
    „Kann er alle seine Untertanen verkaufen?“
    „Alle, welche ihm ungehorsam sind oder ihm aus sonst einem Grund nicht mehr gefallen. Jeder Vater kann seine Kinder, jeder Mann seine Weiber und jeder Mächtige diejenigen verkaufen, über welche er zu gebieten hat.“
    „Was würdest du dazu sagen, wenn der Mek auch dich verkaufte?“
    „Ich müßte mich fügen.“ Aber so leise, daß nur ich es hörte, fügte er hinzu: „Ich würde es nicht dulden, sondern ihn erwürgen!“
    Der Umstand, daß er mich für einen Heiligen hielt, hinderte ihn gar nicht, mir diese Wahrheit anzuvertrauen. Entweder galt ihm selbst ein Oberster der Senussi weniger, als er sich vorhin den Anschein gegeben hatte, oder es war ihm überhaupt nichts heilig. Daß dieses letztere der Fall war, zeigte sich sofort, als ich ihn fragte:
    „Hast du auch schon Reqiq verkauft?“
    „Schon oft. Auch bei diesen hier sind ein Weib und zwei Töchter von mir.“
    „Warum verkaufst du sie?“
    „Weil ich mir ein anderes Weib genommen habe, und weil es besser ist, man bekommt die Töchter bezahlt, als daß man sie ernähren muß.“
    Er sagte das mit einer vollständig unbegreiflichen Gefühllosigkeit und in einem Ton, als ob er mit seinen Worten ganz selbstverständlich nicht nur seine eigene, sondern die Ansicht aller Menschen ausgesprochen habe.
    „Haben sie sich gutwillig gefügt?“ erkundigte ich mich.
    „Was wollten sie dagegen tun? Sie

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