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28 - Im Lande des Mahdi II

28 - Im Lande des Mahdi II

Titel: 28 - Im Lande des Mahdi II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wußte, daß ich besiegt werden würde“, meinte ich, indem ich aufstand. „Einem Mann wie dir kann ich unmöglich gewachsen sein. Ich habe verspielt.“
    Dabei tat ich, als ob ich vor Anstrengung außer Atem sei.
    „Ja, zweimal gelang es dir, die Erde wieder zu erreichen; aber dafür geht nun auch deine Brust auf und nieder, als ob du lange Zeit Galopp gelaufen seist. Du bist kein Riese. Die erste Probe hast du bestanden. Jetzt werden wir die zweite vornehmen.“
    „Welche?“
    „Es soll Christen geben, welche den Koran kennen, so vollständig auswendig aber wie ein Moslem kann kein Giaur ihn kennen. Ich bin überzeugt, daß, wenn man einem Ungläubigen die Sure El Kuiffar vorbetet, er sie nicht richtig nachsprechen kann. Kennst du sie?“
    „Ja.“
    „Kannst du sie auch ohne Fehler hersagen?“
    „Vielleicht, wenn du sie mir richtig und deutlich vorsprichst.“
    Ich brauchte sie mir nicht vorsagen zu lassen, denn ich konnte und kann sie auswendig. Sie ist die hundertneunte Sure und soll Mohammed geoffenbart worden sein, als einige Araber von ihm verlangten, er solle ein Jahr lang ihre Götter verehren, dann wollten sie ebenso seinen Gott anbeten. Sie ist sehr kurz, nur einige Zeilen lang, aber ihrer eigenartigen Wortstellung wegen selbst für einen Araber nicht leicht fehlerfrei zu rezitieren. Darum wird sie besonders dann angewendet, wenn man einen im Verdacht hat, betrunken zu sein, da es einem Betrunkenen geradezu unmöglich ist, sie ohne Anstoß zu Ende zu bringen. Ganz dasselbe setzte Schedid auch bei einem Christen voraus.
    „Wollen sehen!“ meinte er mit einem überlegenen Lächeln, „ich werde sie dir also vorbeten. Übrigens hast du dich schon verraten, indem du verlangst, daß ich sie vorsagen soll. Ein guter Senussi, und noch dazu ein Mudir, ein hervorragendes Mitglied dieser heiligen Bruderschaft, muß diese Sure unbedingt, ohne sie vorher zu hören, aufsagen können.“
    Er stellte sich in Positur, neigte den Kopf, faltete die Hände und begann:
    „Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Sprich: O ihr Ungläubigen, ich verehre nicht das, was ihr verehrt, und ihr verehret nicht, was ich nichtverehrte, und ich werde auch nie verehren das, was ihr nichtverehrt, und ihr werdet verehren – nicht verehren das, was ich nicht – was ich verehre, denn ihr habt meineReligion, und ich – ich – ich habe – ich habe nicht – nicht – nicht –“
    Er hielt inne, denn er sah jetzt ein, daß er sich verfahren hatte. Die falsche Satzstellung abgerechnet, hatte er schon zweimal das Wort ‚nicht‘und einmal das Wort ‚meine‘ gebracht, ohne daß sie in der Sure enthalten sind.
    „Nun!“ lächelte ich. „Bist du kein Moslem oder bist dubetrunken?“
    „Keins von beiden!“ rief er ärgerlich. „Diese Sure ist wirklich die schwierigste, welche es gibt. Du aber als Senussi mußt sie unbedingt ohne Anstoß sagen können!“
    „Wenn ich mich nur ein einziges Mal verspreche, sollst du alles erhalten, was ich besitze!“
    „Wirklich? Ich nehme dich beim Wort. Übrigens brauchst du mir dieses Versprechen gar nicht zu machen, denn wenn du nur den geringsten Fehler begehst, nehme ich an, daß du ein Christ oder gar jener Effendi bist. Dann hast du das Leben verwirkt, und alles, was du bei dir hast, ist mein Eigentum.“
    „Wirst du denn beurteilen können, ob ich Fehler mache oder nicht? Du hast es ja selbst nicht fertiggebracht, und was man begutachten will, muß man doch wohl auch selbst können und verstehen.“
    „Ich kenne die Sure, wenn ich sie auch nicht ohne Anstoß aufsagen konnte. Also sprich!“
    Ich kam dieser Aufforderung nach, indem ich so schnell, daß sein Ohr wohl kaum zu folgen vermochte, rezitierte:
    „Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Sprich: O ihr Ungläubigen, ich verehre nicht das, was ihr verehret, und ihr verehret nicht, was ich verehre, und ich werde auch nie verehren das, was ihr verehret, und ihr werdet nie verehren das, was ich verehre. Ihr habt eure Religion, und ich habe die meinige.“ In der deutschen Übersetzung klingt diese Sure nur schwülstig; im Arabischen aber ist es noch ganz anders. Die Beugung des Wortes ‚ihtaram‘ (verehren) ist da eine so eigenartige, daß es wirklich schwierig ist, die Affirmation nicht mit der Negation und die erste Person der Einzahl nicht mit der zweiten Person der Mehrzahl zu verwechseln. Als ich geendet hatte, sagte Schedid:
    „Wahrhaftig, er kann es, so schnell und ohne den geringsten Anstoß! Er kann kein

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