28 - Im Lande des Mahdi II
War ich der Effendi, so mußte er mich töten oder wenigstens festnehmen; war ich aber wirklich der Senussi, für den ich mich ausgab, so war ich nicht nur ein heiliger Mann, sondern auch ein Zauberer, welcher, um sich zu rächen, alle guten und alle bösen Geister auf die Beine bringen konnte. Vor diesen meinen Zauberkräften hatte er eine heillose Angst, doch hetzte ihn der Bote durch weitere Bemerkungen immer mehr gegen mich auf, daß er endlich zu mir sagte:
„Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich möchte dir nicht mißtrauen, und du kannst dich doch nicht legitimieren. Aber du kannst auf zweierlei Art meine Zweifel beseitigen. Wirst du darauf eingehen?“
„Sprich zuerst!“
„Du hast gehört, daß dieser Effendi ein sehr starker Mann sein soll. Kämpfe mit mir, damit ich erfahre, ob du die Kraft besitzt, welche er haben soll.“
Das war nun freilich eine Pfiffigkeit und Findigkeit von ihm, die ihm keine Prämie eintragen könne. Der gute Mann schien es gar nicht für möglich zu halten, daß ein Starker sich verstellen könne. Ich wäre sofort auf seine Forderung eingegangen, wenn ich nicht die Ehre meines angenommenen geistlichen Standes zu wahren gehabt hätte; darum antwortete ich:
„Du sagst, ich könne mich doppelt legitimieren, zunächst durch den Zweikampf mit dir. Wir sind ausgezogen, um zu predigen, nicht aber um zu kämpfen. Vergleiche deine Gestalt mit der meinigen! Wollte ich mit dir kämpfen, so müßte ich dir unterliegen; das ist sicher.“
„Es kommt nicht immer nur auf die Gestalt an.“
„Ja“, stimmte der Bote des Sklavenjägers bei. „Der fremde Effendi besitzt, wie ich von Ibn Asl vernommen habe, auch nicht die Figur eines Riesen, und doch hat er eine Körperkraft, welcher kein anderer, kein einzelner, gewachsen ist. Bist du dieser Giaur, so kannst du Schedid hier wohl überwinden. Besiegst du ihn nicht, so ist dies dann ein Beweis, daß du der Effendi nicht bist.“
„So ist es“, nickte Schedid. „Hast du ein gutes Gewissen, so ringe mit mir. Tust du dies nicht, so nehme ich an, daß du befürchtest, dich durch deine Körperstärke zu verraten. Also entscheide dich!“
Der Rolle, welche ich spielen mußte, getreu, stand ich zwar auf, als ob ich bereit sei, sagte aber in bedenklichem Ton:
„Wenn man in Dscharabub erführe, daß ich mit dir gerungen habe und besiegt worden sei, würde die Achtung, welche ich zu fordern habe, zum größten Teil verloren sein.“
Da kam mir mein pfiffiger Ben Nil sehr klug zu Hilfe, indem er meinte:
„Wer soll es verraten, o Mudir? Von diesen Männern hier wird wohl keiner jemals in unsere Heimat kommen, und meiner Verschwiegenheit kannst du, wie du weißt, vollständig sicher sein.“
„Du hörst es“, sagte jetzt Schedid. „Falls ich dich überwinde, wird deine Würde keinen Schaden nehmen. Dieses dein Bedenken ist also gegenstandslos geworden, und ich fordere dich noch einmal auf, dich zu entscheiden.“
„Nun wohl, es mag geschehen. Unter welchen Bedingungen soll der Kampf vor sich gehen?“
„Wir legen die Oberkleider ab und umarmen uns. Derjenige, welcher den anderen in dieser Stellung emporhebt und dann niederwirft, ist der Sieger. Bist du einverstanden?“
„Ja, ich habe nichts dagegen“, antwortete ich, indem ich ebenso wie er den seinigen, meinen Haïk auszog.
Natürlich nahm ich mir vor, mich von ihm werfen zu lassen. Doch durfte ich ihm auch nicht zu wenig Widerstand entgegensetzen, da dies seinen Verdacht hätte erregen müssen. Aufrichtig gestanden, hätte ich mich sehr gern im Ernst mit diesem Goliath gemessen, um zu erfahren, ob es mir möglich sei, ihn niederzuringen; leider aber durfte ich nicht.
Wir standen bereit. Er trat auf mich zu und legte seine gewaltigen Arme um mich, ich die meinigen um ihn. Nun versuchte er, mich emporzuheben. Ich setzte ihm den Widerstand eines kräftigen Mannes entgegen. Zweimal hob er mir die Füße aus, doch wurde es mir nicht schwer, den Boden wieder zu gewinnen. Beim drittenmal aber nahm er alle seine Kraft zusammen, hob mich empor, griff, während er den linken Arm auf meinem Oberkörper ließ, mit der Rechten nach meinen Schenkeln, so daß er mich nun waagrecht an sich hatte, und legte mich dann auf die Erde nieder. Indem ich dies geschehen ließ, hegte ich die Überzeugung, daß ich, wenn ich nur wollte, ganz dasselbe mit ihm tun konnte.
„Er ist nicht schwach“, sagte er, „sondern er hat ganz gute Kräfte; aber außergewöhnlich sind sie nicht.“
„Ich
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