28 - Im Lande des Mahdi II
kurzer Blick auf Ben Nil beruhigte mich. Dieser zeigte sich keineswegs erschrocken, sondern auf seinem Gesicht lag ein so überlegen lächelndes Staunen, als sei er ganz gewiß und sicher derjenige, für den ich ihn ausgegeben hatte, und wundere sich nun über die Möglichkeit, für einen anderen gehalten zu werden. Ich konnte mich auf ihn verlassen und in Beziehung auf sein Verhalten vollständig ruhig sein.
Was nun mich selbst betraf, so blickte ich dem Boten wie fragend in sein erregtes Gesicht und sagte kein Wort. Ich tat so, als ob ich nicht imstande sei, das, was er gesagt hatte, zu verstehen. Schedid sah bald ihn und bald mich an. Er war überzeugt worden, daß meine Person genau mit dem Signalement stimmte; aber die würdevolle Ruhe, welche ich bewahrte, machte ihn irre.
„Was sagtest du?“ fragte er den Boten. „Dieser Mann, welcher hier an meiner rechten Seite sitzt, soll jener ungläubige Effendi sein?“
„Ja, er ist's! Er kann kein anderer sein.“
„Du irrst dich abermals. Dieser heilige Mann ist der Mudir von Dscharabub, der Vertraute und beste Freund des Sihdi Senussi.“
„Ist das wahr? Kannst du das beweisen?“ fragte der Bote.
„Ich weiß es von ihm selbst.“
„Von ihm selbst, von ihm selbst!“ lachte der Baqquara-Araber. „Wenn du es von keinem anderen, von keinem sicheren Mann weißt, so ist es um deinen Beweis sehr schlecht bestellt. Habe ich dir nicht erzählt, daß der Giaur sich schon öfters einen falschen Namen gegeben hat?“
„Allah! Ich habe es gehört. Sollte –!“
Er sah mich mit Augen an, in denen das Vertrauen mit dem Mißtrauen um den Sieg rang. Ich antwortete mit einem festen, verwunderten Blick und fragte:
„Was sagt dieser Mann? Spricht er von mir?“
„Natürlich meint er dich!“ antwortete Schedid. „Hast du denn nicht verstanden?“
„Hätte ich ihn verstanden, so müßte ich ihn für toll halten; lieber will ich annehmen, daß ich falsch gehört habe.“
„Er behauptet, du seist der christliche Effendi, von welchem er gesprochen hat.“
„Allah sei ihm gnädig! Also hat er es wirklich gesagt! Sein Geist ist krank. Er mag Tücher ins Wasser tauchen und sie sich um die Stirn legen, dann wird ihn das Fieber verlassen.“
„Ich bin nicht krank; ich weiß, was ich sage!“ rief der Baqquara. „In einer einzelnen Person mag man sich irren, aber in zwei Menschen zugleich, das ist unmöglich. Der junge Mann stimmt ganz auf Ben Nil und der andere genau auf den Effendi. Sie sind es! Was haben sie für Kamele? Ibn Asl sagte, daß sie auf grauen Hedschihn reiten.“
„Das ist richtig“, antwortete Schedid.
„Richtig? Also ein neuer Beweis, daß ich mich nicht irre! Laß dich nicht betrügen, o Schedid! Untersuche den Fall genau!“
Schedid war jetzt doppelt bedenklich geworden. Er meinte zu mir:
„Du hörst, was er sagt. Ich hege alle Ehrerbietung für deine Heiligkeit; aber ich habe keinen Beweis, daß sie richtig ist. Also bitte ich dich, mir dazu zu verhelfen, daß ich dir vertrauen kann.“
„Also du mißtraust mir wirklich?“ fragte ich in scheinbar maßlosem Erstaunen. „Ich soll beweisen, daß ich bin, der ich bin! Sage mir doch, wo wir uns befinden!“
„Nun, hier an der Machada ed Dill.“
„Und wo ist jener Effendi, wie Ibn Asl selbst gesagt hat?“
„Unterwegs auf dem Nil.“
„Kann ich also er sein?“
„Das, was Ibn Asl gesagt hat, ist ja nur eine Vermutung. Wenn nur einer von euch mit der Beschreibung übereinstimmte, so wäre ein Irrtum denkbar, da aber eure beiden Personen stimmen, so steht es sehr schlimm um dich. Wenn du jener Effendi bist, muß ich dich töten.“
„Aber ich bin es nicht!“
„Das ist nicht erwiesen. Hast du einen Beweis bei dir, daß du die Wahrheit sagst?“
„Der einzige Beweis bin ich selbst.“
„Dann muß ich dich festnehmen und bei mir behalten, um dich Ibn Asl zu zeigen!“
„Das wirst du nicht tun, denn dadurch würde unser heiliges Werk gestört werden.“
„Wenn du mich nicht in den Stand setzt, an dieses heilige Werk glauben zu können, kann ich es nicht berücksichtigen.“
„Du wirst es berücksichtigen, denn ich bin überzeugt, daß du weißt, im Besitze welcher Mächte und Geheimnisse mein Orden sich befindet. Ich würde dieselben gegen dich in Anwendung bringen.“
In der Bevölkerung dieser Gegend herrscht der finsterste Aberglaube; darum riefen diese Worte den heilsamen Schreck hervor, den ich beabsichtigt hatte. Schedid befand sich in einer schlimmen Lage.
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