28 - Im Lande des Mahdi II
weiter gefolgt. Wir hielten uns weiter östlicher als sie, überholten sie schon im Lauf des ersten Vormittags und kamen am Morgen des vierten Tages bei Faschodah an, welches eigentlich nichts als ein großes Hüttendorf ist, das sich jedoch infolge der mit Mauern umgebenen Regierungsgebäude, der Kaserne und der Wohnung des Mudir, von außen ziemlich stattlich ausnimmt. Doch verschwindet der gute Eindruck sofort, wenn man den Ort betritt.
Auf den Mauern stehen Kanonen und des Nachts zahlreiche Wachtposten, eine Vorsichtsmaßregel, welche wegen der rebellisch gesinnten Schilluk keine ganz überflüssige ist.
Um die Regierungsgebäude liegen armselige Häuser und zahlreiche Tukul, welche auf einer Ziegelunterlage errichtet sind, weil es wegen der früheren vielen Verheerungen, welche das Feuer anrichtete, jetzt verboten ist, diese dürftigen Hütten ganz aus Stroh zu bauen. Diese Tukul wurden teils von Schilluk, teils von Soldaten, welche ihre Weiber und Kinder bei sich haben, bewohnt. Die Straßen und Gassen, falls man sich ja dieser Ausdrücke bedienen will, bestehen aus Löchern, Schmutzlachen, Unrathaufen und Schlammgebirgen, zwischen, durch und über welche man, um nicht steckenzubleiben, wie ein Seiltänzer sich bewegen muß.
Faschodah ist ein Verbannungsort, gerade so wie früher Dschebel Gasan und Fassoql, doch wächst die Zahl der Verbrecher nie stark an, da die Fremden an dem ungesunden Klima schnell zu Grunde gehen.
Da dieser Platz der letzte befestigte Grenzposten am weißen Nil ist, so hat er eine Besatzung von fast tausend Soldaten; das sind schwarze Fußtruppen und eine Anzahl Arnauten, die unter ihrem Sangak stehen und wegen ihrer bekannten Unbotmäßigkeit und Gewalttätigkeit außerordentlich schwer zu regieren sind. Daß ihr Sangak ein heimlicher Verbündeter von Ibn Asl war, ist bereits erwähnt worden.
Man darf ja nicht denken, daß wir so mir nichts dir nichts gleich unseren Einzug gehalten hätten; das wäre geradezu unverantwortlich gewesen. Ich konnte annehmen, daß Ibn Asl bereits angekommen sei. Auch der Türke Murad Nassyr mit seiner Schwester, der Muza'bir und der Mokkadem der heiligen Kadirine, meine rachsüchtigen Feinde, waren hier zu suchen. Dazu kam, daß ich mich vor dem Obersten der Arnauten in acht zu nehmen hatte, da demselben von den anderen Genannten jedenfalls schon alles von mir erzählt worden war. Sie kannten mich persönlich; ich durfte mich nicht sehen lassen, wenn ich meinen Zweck ganz und voll erreichen wollte. Darum sagte ich nicht, daß wir in, sondern daß wir bei Faschodah angekommen seien.
Wir hüteten uns nämlich, uns der Stadt allzuweit zu nähern, sondern hielten ungefähr eine Stunde vor derselben an einem Ort, welcher zu einem einstweiligen Versteck sehr geeignet war. Es gab da nämlich eine aus Sunut-, Hegelik- und anderen Hochbäumen bestehende Waldung, zwischen deren Stämme Kittr- und Vabaqbüsche standen, welche durch die Ranken des Cyssus quadrangularis dicht verwoben waren. In diesem Wald machten wir halt und suchten uns einen Platz, an welchem wir nur durch den reinen Zufall aufgefunden werden konnten.
Von hier aus wollte ich dem Mudir einen Boten senden. Am liebsten hätte ich Ben Nil geschickt, was ich aber nicht wagen konnte, da derselbe einigen, denen er in Faschodah leicht begegnen konnte, bekannt war. Darum vertraute ich Hafid Sichar die Botschaft an und gab ihm den Empfehlungsbrief des Raïs Effendina mit. Natürlich unterrichtete ich ihn sehr genau darüber, wie er sich zu verhalten und was er zu sagen hatte. Nach seiner Entfernung warteten wir volle vier Stunden; dann kehrte er zurück und brachte einen Mann mit, der die hierzulande übliche Kleidung eines gewöhnlichen Mannes trug. Ich hatte erwartet, daß der ‚Vater der Fünfhundert‘ mir einen seiner vertrauten Beamten senden werde, und vernahm jetzt zu meiner Überraschung, daß dieser so einfach gekleidete Mann der Mudir selbst sei. Der strenge Mann charakterisierte sich gleich im ersten Augenblick der Begegnung:
„Du hast lange warten müssen, Effendi“, sagte Hafid Sichar zu mir. „Dieser hohe Herr ist –“
„Schweig!“ donnerte ihn der andere zornig an. „Ich habe dich freundlich behandelt, weil mich dein trauriges Schicksal erbarmte, aber du darfst deshalb nicht denken, daß ich deinesgleichen bin. Wie kannst du es wagen, mich dem Effendi vorstellen zu wollen! Und wie darfst du dich erdreisten, dich zu entschuldigen, daß er gewartet hat! Bin ich ein Hund, der
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