28 - Im Lande des Mahdi II
Sichar gehört haben; verschiedenes war jedenfalls auch in dem Empfehlungsbrief des Raïs Effendina angedeutet worden; nun aber vernahm er Dinge, von denen er keine Ahnung gehabt hatte und die sein ganzes und vollstes Interesse, welches sich von Zeit zu Zeit in den lebhaftesten, originellsten Ausrufen äußerte, beanspruchten. Dann griff er, als Ben Nil fertig war, nach dem Streichholzkästchen und der Zigarettentasche, schüttelte den Inhalt beider über mich aus und rief:
„Rauche, rauche, Effendi, rauch nur zu! Du hast es verdient, ja, bei Allah und den Propheten, du hast es verdient! Und wenn du zu mir kommst, sollst du noch mehr haben, eine ganze große Kiste voll, obgleich sie schändlich teuer sind, jawohl, schändlich teuer!“
„Wieviel zahltest du?“ fragte ich, neugierig nach dem Preis dieser Zigaretten, die sich auf irgendeine Weise nach dem Sudan verirrt hatten.
„Einen ganzen Piaster für das Stück.“
„Das ist zu teuer. Hast du nichts abgehandelt?“
„Abgehandelt?“ fragte er in grimmigem Ton. „Ist mir gar nicht eingefallen! Ich pflege nicht zu handeln; ich bezahle ehrlich, voll und gleich: Jeder Piaster ein Hieb. Als der Kerl fünfzig Hiebe hatte, lief er davon, ließ mir die Ware und erklärte heulend, er sei bezahlt und verzichte auf das übrigen. Also rauche, Effendi; laß es dir schmecken! Du bist ein Teufelskerl, und der Raïs Effendina muß ganz entzückt sein, dich kennengelernt zu haben. Ihr Christen seid eigentlich doch nicht so ganz übel, und ich will nun glauben, daß er dich in Wirklichkeit als seinen Freund betrachtet. Ich bin Mudir, und das ist, bei Allah, nichts Geringes, aber ich bitte dir dennoch meine frühere Geradheit ab. Aber dafür mußt du mir nun auch einen Gefallen tun. Du darfst ihn mir nicht abschlagen!“
„Ich weiß doch noch nicht, ob ich imstande sein werde, deinen Wunsch zu erfüllen?“
„Du kannst es!“
„Nun, in diesem Falle – ja!“
Da drückte er mir beide Hände und rief freudig aus:
„Hamdullillah! Das gibt Hiebe, Hiebe, fünf- oder sechstausend Hiebe oder gar noch mehr! Du sollst Ibn Asl fangen, aber nicht für den Raïs Effendina, sondern für mich.“
„Gut!“
„Und diesen dicken Türken, welcher Murad Nassyr heißt.“
„Schön!“
„Und den Muza'bir mit dem allerliebsten Mokkadem der heiligen Kadirine.“
„Auch diese beiden!“ nickte ich.
„Ich danke dir; ich danke dir! Das wird ein Fest, wie ich noch keines erlebt habe. Ich lasse sie alle hängen; vorher aber bekommt jeder seine wohlgezählten fünfhundert auf die Fußsohlen, auch die Schwester des Türken, ja, bei Allah, auch sie!“
„Sie ist ein Mädchen, o Mudir! Welches Verbrechens willst du sie denn zeihen?“
„Des allergrößten, welches es gibt. Sie hat Ibn Asl, den Sklavenjäger, heiraten wollen.“
„Wollen? Davon ist keine Rede. Sie hat gemußt. Diese Verheiratung ist nichts weiter als die Besiegelung einer Geschäftsverbindung.“
„Rede mir nicht darein!“ gebot er eifrig. „Hier hat niemand zu besiegeln als nur ich allein, und ich besiegle stets mit fünfhundert. Aber fangen mußt du sie mir alle; du hast es mir versprochen.“
„Ich werde Wort halten. Einen aber brauche ich nicht zu fangen, weil er sich bereits in deinen Händen befindet, den Sangak deiner Arnauten.“
„Ibn Mulei? Er hat mein Vertrauen bis zu diesem Augenblick besessen. Glaubst du wirklich, daß er Ibn Asl kennt?“
„Ich bin überzeugt davon.“
„Dann, dann soll er auch seine fünfhundert –“
Er hielt inne. Es war ihm ein Gedanke gekommen. Er sann demselben nach und fuhr dann fort:
„Der also, der ist der Adressat! Darum also habe ich mir fast den Kopf zerbrochen und mich vergeblich angestrengt! Effendi, ich möchte fast glauben, daß du recht hast und daß ich mein Vertrauen einem Unwürdigen geschenkt habe.“
„Ich könnte darauf schwören, daß dieser Ibn Mulei ein Verbündeter des Sklavenjägers ist.“
„Das ist allerdings sehr wahrscheinlich, denn die Stellen des Briefes, welche mir dunkel waren, passen nur auf ihn, wie ich jetzt erst erkenne.“
„Darf ich wissen, von welchem Brief du sprichst?“
„Ja. Du mußt es sogar wissen. Meine Leute fingen gestern oben an der Bringhi Seribah einen Nuehr-Neger auf, welcher ihnen verdächtig vorkam. Als sie ihn untersuchten, fanden sie einen Brief in seinem Haarschopf. Der Mann riß sich los und wollte entspringen; da schossen sie ihn tot. Heute früh brachten sie mir den Brief. Er ist aus Seribah
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