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28 - Im Lande des Mahdi II

28 - Im Lande des Mahdi II

Titel: 28 - Im Lande des Mahdi II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hinein!“
    „Nimm mein Gewehr, und schieß den rechten Lauf ab! Aber triff ihn nicht etwa!“
    Der Schuß krachte, und fast gleichzeitig hörte ich einen Schrei vor uns. Ben Nil hielt das Gewehr noch angelegt und berichtete mir, da ich mit dem Rücken nach vorn saß:
    „Er hält an; er sieht mich schußbereit; er hat Angst und zieht die Ruder ein.“
    „So, laß mich wieder an das Steuer! Ich will selbst mit ihm sprechen.“
    Wir wechselten die Plätze wieder. Der Neger hatte die Ruder im Boot liegen und erwartete uns. Sein nicht unhübsches Gesicht drückte halb Furcht, halb Trotz aus.
    „Zu welchem Volk oder Stamm gehörst du?“
    „Ich bin ein Bongo“, antwortete er.
    „Wo willst du hin?“
    „Nach Faschodah. Ich möchte gern Soldat werden und habe gehört, daß man dort Asaker braucht.“
    „Das ist sehr wahr. Du wirst wohl angenommen werden.“
    „Denkst du, o Herr? – Kennst du vielleicht diese Stadt?“
    „Ja. Ich komme von dort her.“
    Er wollte etwas sagen, verschluckte es, öffnete aber doch noch den Mund, um es hören zu lassen:
    „Kennst du den Sangak der Arnauten?“
    „Sehr gut.“
    „Lebt er noch?“
    „Warum sollte er tot sein?“
    „Weil – weil – weil …!“
    Er stockte. Ich nahm das Steuer in die rechte, das Gewehr in die linke Hand und sagte ihm im strengen Ton:
    „Bursche, du belügst uns. Du bist kein Bongo, denn dann würdest du eine braunere Farbe haben; du aber bist tiefschwarz. Auch hat ein Bongo die Stirn niemals so tätowiert wie du. Wir werden uns näher kennenlernen. Da unten liegt unser Schiff. Du kannst es von hier aus nicht sehen. Rudere langsam vor uns her, wir folgen dir. Sobald du einen Versuch machst, uns zu entweichen, schieße ich dich durch den Kopf.“
    Der Mann sah ein, daß Widerstand vergeblich sei, tauchte sein Ruder in das Wasser und bewegte sich langsam stromabwärts. Wir folgten ihm in demselben Tempo. Als wir den ‚Falken‘ erreichten, mußte er, so wie wir es mit dem unsrigen taten, sein Boot anbinden und dann mit uns das Deck besteigen. Er tat dies mit der Miene eines Mannes, der sich seiner Unschuld bewußt ist, doch bemerkte ich gar wohl die besorgten Blicke, welche er um sich warf. Er war keineswegs so unbefangen, wie er sich den Anschein geben wollte. Der Raïs Effendina, welcher bekanntlich von seinen Untergebenen Emir genannt wurde, erkundigte sich, warum ich ihn an Bord gebracht habe. Ich teilte es ihm mit. Er musterte den Neger und meinte dann:
    „Er hat ein ganz harmloses Aussehen. Warum sollte er sich für einen Bongo ausgeben, wenn er keiner ist?“
    „Aus irgendeinem Grund, den wir gewiß erfahren werden. Betrachte sein Gesicht! Die Tätowierung ist ganz eigenartig: in der Mitte der Stirn ein senkrechter Schnitt, von welchem nach beiden Seiten Linien, welche aus lauter Punkten bestehen, sich bogenförmig nach dem Scheitel und den Schläfen ziehen. In dieser Weise tätowieren sich, wenn ich mich nicht irre, die Dinka, aber niemals ein Bongo. Er hat mich belogen, und das muß natürlich einen Grund haben. Daß er Soldat werden will, ist nicht wahr, und daß er mich nach dem Sangak der Arnauten fragte, muß den Verdacht natürlich nur noch erhöhen. Ich habe große Lust, ihn für einen Boten zu halten, welchen irgend jemand zu dem Sangak sendet.“
    „Doch nicht etwa Ibn Asl?!“
    „Entweder dieser oder ein anderer Sklavenhändler.“
    „Wäre das richtig, so hätte dieser Schwarze für uns einen hohen Wert. Wollen ihn doch noch einmal vornehmen.“
    Er gebot dem Neger, die Wahrheit zu sagen, und bedrohte ihn für den entgegengesetzten Fall mit schwerer Strafe, bekam aber ganz dieselben Antworten, welche ich vorher erhalten hatte. Nun wurde der Mann untersucht. Man fand nichts bei ihm, obgleich sich die Nachforschung sogar auf sein Haar erstreckte. Dasselbe war bis auf einen dünnen Büschel auf dem Scheitel glatt geschoren, was man auch nur bei den Dinkastämmen findet. Auch in seinem Boot fand man nichts.
    Was war zu tun? Der Verdacht, welchen ich gegen diesen Neger hegte, war meiner vollsten Überzeugung nach ein sehr wohlbegründeter, aber wir konnten ihm nichts beweisen und hatten also kein Recht, ihn festzuhalten. Als ihm eröffnet worden war, daß er seine Kahnfahrt fortsetzen könne, fragte ich ihn, ob er wisse, wo die Seribah Aliab liege. Da überflog er mit einem forschenden Blick unser Schiff, den Emir und mich und antwortete:
    „Ja, ich weiß es.“
    Dieser sein Blick war sehr beredt gewesen: ich schloß aus

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