28 - Im Lande des Mahdi II
versteinert stehen, starrte ihn mit großen, weitgeöffneten Augen an und schrie dann mit gellender Stimme auf:
„Agadi, Aba-charang!“
Diese Worte waren nicht arabisch, sonder aus dem Dialekt des Stammes, welchen die beiden Negergeschwister angehörten. Die bedeuteten: Agadi, mein Vatersbruder! also: mein Oheim. Der Angeredete hatte die Kinder nicht bemerkt. Als er seinen Namen hörte, wandte er sich schnell zu ihnen um. Sie eilten auf ihn zu und er erkannte sie. Seine Überraschung war so groß, daß er sich, ohne sich zu bewegen, von ihnen umschlingen ließ. Sie weinten, nein, sie heulten vor Freude und kletterten an ihm empor. Da löste sich seine Erstarrung in einem schrillen Schrei des Entzückens. Er drückte sie an sich; er tanzte mit ihnen über das ganze Deck und brüllte dazu Worte, welche ich nicht verstand, weil sie nicht der arabischen, sondern der Dinka-Sprache angehörten, von welcher mir nur einige Worte und Redensarten bekannt waren. Nach einiger Zeit wurde er ruhiger und setzte sich mit ihnen nieder. Sie führten ein buntes, sehr lebhaftes Gespräch, welches wohl eine halbe Stunde währte.
Wir störten sie natürlich nicht und warteten das Ergebnis dieser Unterredung ruhig ab. Als er alles erfahren hatte, stand er auf, kam mit freudestrahlendem Angesicht auf mich zu, machte mir eine tiefe, sehr ehrerbietige Verbeugung und sagte, jetzt natürlich in arabischer Sprache:
„Effendi, verzeihe mir! Ich wußte nicht, daß diese Kinder hier seien und was du an ihnen getan hast. Du bist ein guter, ein sehr guter Herr und kein so schlechter, böser Mann, wie ich vorher dachte.“
„Ah, also hast du mich doch gekannt?“
„Ja. Als ich euch da oben auf dem Fluß begegnete, wußte ich nicht, wer du warst; aber als ich das Schiff sah, erkannte ich, wen ich vor mir hatte.“
„Ich habe also vorhin ganz richtig vermutet, wir sind dir beschrieben worden?“
„Ja, und zwar so genau, daß ich mich jetzt wundere, dich nicht sogleich erkannt zu haben. Ibn Asl tat es.“
„Zu dessen Kriegern du gehörst?“
„Ja, ich gehöre zu den Djangeh, welche er gemietet hat, ich bin sogar der Anführer derselben.“
„Du sollst eine Botschaft nach Faschodah bringen?“
„So ist es. Einen Brief an den Sangak der Arnauten, welcher Ibn Mulei heißt.“
„Wir haben ihn nicht gefunden. Du mußt ihn sehr gut versteckt haben. Wo ist er?“
„Effendi, ich habe Ibn Asl mein Wort gegeben, ihn nur an den Sangak abzuliefern.“
„Du bist ein ehrlicher Mann; Ibn Asl ist aber ein Schurke, der dich wahrscheinlich betrügen will.“
„Mich betrügen? – Wieso?“
„Du bist der Anführer der Djangeh-Krieger, und er kann dich als solchen unmöglich missen. Wenn er dich dennoch entfernt hat, so ist zu vermuten, daß er gegen deine Leute Absichten hegt, welche keine ehrlichen sind. Hatte er keinen andern, keinen Weißen, den er senden konnte? Deine Leute sollen führerlos sein. Verstanden?“
Er blickte sinnend und finster vor sich nieder. Dann sagte er:
„Ibn Asl sagte, daß es gerade ein großer Beweis seines Vertrauen sei. Er kann nichts Schlimmes gegen meine Djangeh vorhaben, denn er bedarf ihrer, ohne sie kann er keine Sklaven jagen.“
„Das ist wahr. Er wird mit ihrer Hilfe Sklaven fangen. Aber dann, wenn er sie nicht mehr braucht –?! Wie nun, wenn er ihnen dann nicht nur ihren Lohn nicht auszahlt, sondern sie selbst zu Sklaven macht?“
Er sah mich erschrocken an. Er brauchte Zeit, sich ein solches Verhalten als möglich zu denken. Dann rief er aus:
„Effendi, kann denn so etwas überhaupt geschehen?“
„Ibn Asl ist jede, auch die größte Schlechtigkeit zuzutrauen. Und was für Menschen hat er bei sich? Frage deine jungen Verwandten, den Knaben und das Mädchen!“
„Sie haben mir alles, alles gesagt. Du hast sie errettet. Du hast schon viele andere Sklaven erlöst. Du weißt alles vorher. Dein Auge schaut in die Zeit, welche erst später kommt. Solltest du auch hier richtig gesehen haben? Dann wehe Ibn Asl! Wenn ich nur erfahren könnte, ob du recht hast.!“
„Das ist sehr leicht zu erfahren. Es steht jedenfalls in dem Brief geschrieben. Gib ihn mir.“
„Aber – aber –!“
Seine Ehrlichkeit sträubte sich, das ihm Anvertraute in unsere Hände gelangen zu lassen. Er kämpfte mit sich. Endlich entschied die Sorge um sich und die Seinen und er entschied:
„Effendi, der Mensch darf nicht nur ehrlich sein, sondern er muß auch klug sein. Hat Ibn Asl Schlimmes gegen uns vor, so
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