28 - Im Lande des Mahdi II
hilft meine Ehrlichkeit nichts dagegen.“
„So sage, wo du den Brief hast!“
Ich war neugierig, das Versteck zu erfahren, da wir ihn und sein Boot auf das genaueste untersucht hatten, ohne etwas zu finden. Er antwortete:
„Das Schreiben steckt in einem kleinen Tongefäß, welches unten am Boden meines Bootes befestigt ist.“
Das Boot, welches sehr leicht war, wurde an Bord gezogen. Am Kiel desselben hing ein kleines, phiolenartiges Tonfläschchen, dessen Öffnung mit Harz verschlossen war. Wir schnitten es ab und zerbrachen es. Der Inhalt bestand in einem beschriebenen Papierblatt. Der Emir nahm das letztere, um es zu lesen, schüttelte den Kopf, betrachtete es abermals, schüttelte wieder den Kopf und fragte mich dann:
„Verstehst du persisch, Effendi?“
„Ja. Aber wie käme Ibn Asl zur Kenntnis dieser Sprache? Und auch der Sangak, welcher den Brief doch lesen soll, müßte sie verstehen. Ist der Brief denn persisch geschrieben? Zeig her!“
Er gab mir den Brief. Ich betrachtete die Zeilen, welche mit Tinte und Feder geschrieben waren; aber das war weder arabisch noch persisch. Ich konnte die Worte zwar lesen, fand sie aber vollständig unverständlich, bis ich auf die Idee kam, daß Ibn Asl sich wahrscheinlich einer bekannten Vorsichtsmaßregel bedient habe, damit der Brief, falls er in falsche Hände kommen sollte, nicht gelesen werden könne.
Das Arabisch wird bekanntlich von rechts nach links geschrieben; ich versuchte also, von links nach rechts zu lesen, und siehe da, es ging. Der Brief lautete:
‚Ich sende dir Agadi, den Anführer meiner Dinka-Krieger. Ich habe ihm gesagt, daß wir zu den Rohl ziehen, um sie zu Sklaven zu machen. Mein Zug ist aber gegen die Gohk gerichtet, was er jetzt noch nicht wissen darf, da dieselben zu den Dinkavölkern gehören. Sende mir sofort fünfzig oder mehr Asaker, welche weiß sein müssen, nach. Sie mögen mich auf der Seribah Aliab erwarten. Wenn ich von meinem Zug dorthin zurückkehre, so werde ich mit Hilfe dieser Weißen die hundertfünfzig Dinkakrieger auch zu Sklaven machen. Dann brauche ich sie nicht zu bezahlen und werde noch Geld für sie bekommen. Ich entfernte den Anführer, damit sie nur mir zu gehorchen haben, und beauftrage dich, dafür zu sorgen, daß er nicht zu mir zurückkehrt. Ich erfuhr, daß der christliche Effendi bei dir war, und konnte doch nicht kommen, weil er uns entfloh und wir deshalb sehr schnell fort mußten. Da ich deine Klugheit kenne, bin ich überzeugt, daß dir sein Entkommen keinen Schaden bereitet hat. Er weiß nichts von der Seribah Aliab und wird uns also nicht finden, so viel er auch nach uns sucht. Und falls er davon erfahren hat, wird er diesem Dinka Agadi begegnen, dem ich Unterricht gegeben habe, ihn irrezuführen.‘
Das war der Inhalt des Briefes, welcher weder Auf- noch Unterschrift hatte. Ich las ihn dem Emir vor. Der Djangeh hörte es und fragte, als ich fertig war:
„Wer ist der Dinka, von welchem die Rede ist?“
„Du selbst bist es und mit den Dinkakriegern sind deine Leute gemeint. Hast du hundertfünfzig Mann bei dir?“
„Ja. Wir sollen mit gegen die Rohl ziehen, um sie zu Sklaven zu machen.“
„Du hast aber gehört, daß der Zug nicht gegen diese, sondern gegen die Gohk gerichtet ist.“
„Das sind unsere Brüder. Ich gebe es nicht zu!“
„Du bist doch nicht mehr dort und kannst also nichts dagegen tun. Seit du fort bist, haben deine Leute Ibn Asl zu gehorchen, und er wird ihnen sagen, daß du mit dem Zug gegen die Gohk einverstanden bist. Kommen sie dann zurück, so werden sie zu Sklaven gemacht und verkauft, anstatt ihren Lohn zu erhalten. Und du, du wirst in Faschodah sterben, falls du hingehst und diesen Brief abgibst.“
Er sah mich mit ungläubigen Augen an. Er, der Neger, der Heide, konnte eine solche Schlechtigkeit nicht begreifen. Ich kam ihm zu Hilfe, indem ich ihm in kurzen Worten erzählte, was ich von Ibn Asl wußte, und das war mehr als genug, dem Mann zu zeigen, in welche Hände er geraten war. Als ich zu Ende gesprochen hatte, rief er aus:
„Effendi, erlaube mir, das Schiff zu verlassen! Ich muß fort, augenblicklich nach der Seribah zurück, um meine Leute zu warnen und mich an Ibn Asl zu rächen!“
Er wandte sich hastig von mir ab; ich hielt ihn am Arme zurück und antwortete:
„Bleib! Du kannst zwar gehen, wenn es dir beliebt, denn du bist frei und nicht mehr unser Gefangener, aber ich rate dir, bei uns zu bleiben. Du vermagst nun wohl nichts mehr zu ändern und
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