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28 - Im Lande des Mahdi II

28 - Im Lande des Mahdi II

Titel: 28 - Im Lande des Mahdi II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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im Finstern nach der Stelle, an welcher, wie er wußte, keine Späne lagen, und eilte dann nach dem Tokul, in welchem ich von meiner Betäubung erwacht war. Dort brannte das Feuer wahrscheinlich noch. Er kehrte mit dem brennenden Span zurück, und wir hatten also die nötige Beleuchtung. Außerdem fanden wir eine tönerne Lampe, welche mit Palmöl gefüllt war.
    An der kreisrunden Wand hingen zehn Gewehre und noch mehr Pistolen, alle geladen. Wir nahmen diese Waffen an uns und gingen dann nach dem Tokul, welcher uns als die Wohnung des Türken bezeichnet worden war. Ich freute mich darauf, dort seine Schwester zu sehen, als wir in die vordere Abteilung traten, war es in derselben finster, aber durch den Mattenvorhang schimmerte aus der zweiten, hinteren Abteilung Licht. Ich schob ihn zurück und trat hinein. Die ‚Damen‘ saßen beim Kaffee. Kumra, zu deutsch die Turteltaube, die Schwester des Türken, saß in der Mitte der Abteilung auf einem Teppich; daneben kauerten die vier Dienerinnen um einen tönernen Topf, in welchem Holzkohlen brannten. Auf demselben stand ein zweiter Topf mit kochendem Wasser, in welchen Fatma soeben die zerstampften Bohnen schüttete. Alle fünf starrten mich wortlos an, so erschrocken waren sie über mein Erscheinen.
    Ich bin sonst gern so rücksichtsvoll wie möglich gegen Damen, jetzt aber war ich äußerst rücksichtslos, was mir aber, wie ich aufrichtig gestehe, selbst heutigen Tages noch keine Gewissensbisse macht. Erstens kam ich nicht zur vorgeschriebenen ‚Visitenzeit‘; zweitens betrat ich einen Harem, was bekanntlich streng verboten ist, und drittens war meine Erscheinung so wenig salonfähig, daß ich jetzt, wo ich dies niederschreibe, die Augen, allerdings nur für zwei Sekunden, niederschlage. Hatte mein Anzug schon während der langen Fahrt und der vorherigen Erlebnisse bedeutend gelitten, so war ihm nun vorhin in der schlammigen Grube der ‚letzte Rest‘ gegeben. Mein Aussehen war nichts weniger als gentlemanlike. Dazu meine Bewaffnung! Ich hatte nämlich von den Waffen, welche wir an uns genommen hatten, drei Flinten überhängen und vier Pistolen im Gürtel stecken – ein Rinaldini in Lehm! Trotz dieser für einen Damenbesuch wenig geeigneten Äußerlichkeiten kreuzte ich die Hände auf der Brust, verbeugte mich und sagte:
    „Mohammed, der Prophet der Propheten, verleihe eurem Tranke die Wohlgerüche des Paradieses! Meine Seele dürstet nach Erquickung. Darf ich euch um einen Findschahn (Tasse) bitten?“
    Da bekam die Turteltaube ihre Sprache.
    „Der Effendi!“ rief sie, indem sie aufsprang. „Ich denke, du liegst im Loch gefangen!“
    „Wie du siehst, ist dies nicht der Fall.“
    „Ich wollte – wollte – wollte dich gern befreien, wußte aber nicht, wie ich es dieses Mal anfangen könne.“
    „Ich danke dir, du lieblichste und beste unter den Jungfrauen! Du hast mir schon einmal die größte der Wohltaten erwiesen; heute durfte ich nicht wieder auf dich rechnen. Ich bin gekommen, eine andere Bitte an dich zu richten, die nämlich, diesen Harem nicht eher zu verlassen, bis ich dir gesagt habe, daß du die vordere Abteilung des Tokuls wieder betreten darfst.“
    „Warum?“
    „Es könnte dich oder deine Dienerinnen eine Kugel treffen.“
    „Allah, eine Kugel! Du willst kämpfen? Mit wem?“
    „Mit dem Feldwebel und seinen Asakern.“
    „Also auch mit meinem Bruder?“
    „Ja, wenn er sich wehren sollte.“
    „Allah, Allah! Du bist ein starker und ein kühner Mann. Du wirst ihn sicher besiegen; du wirst ihn töten!“
    „Nein. Meine Dankbarkeit verbietet mir, dein Herz zu betrüben. Ich werde deinen Bruder schonen. Das kann ich aber nur dann, wenn ihr euch vollständig ruhig verhaltet.“
    „Wir werden es, Effendi, wir werden es! Wir werden hier bleiben. Wir gehorchen. Ich verspreche es dir, Effendi!“
    Sie hob die Hände beteuernd zu mir empor, sie vergaß, daß sie unverschleiert war, und so hatte ich zum zweiten Male die ‚Wonne‘, ihr Angesicht schauen zu dürfen, dies wunderlich verkniffenen Gesicht, welches mich, wie bereits einmal gesagt, so lebhaft an die sächsische Löffelhändlerin aus Beierfeld bei Schwarzenberg erinnerte. Selbst heute noch muß ich, wenn von orientalischer Frauenschönheit die Rede ist, ganz unwillkürlich an die Züge jener Turteltaube denken.
    Auf dem Serir, einem überzogenen Holzgestell, welches zum Sitzen, Liegen und anderen Zwecken dient, stand eine brennende Tonlampe, ganz derjenigen ähnlich, welche wir

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