28 - Im Lande des Mahdi II
dein Effendi?“
„Kommt schon!“ antwortete ich, indem ich über die Schanzbekleidung sprang. „Hier ist er.“
Ein allgemeiner Ruf freudiger Überraschung ließ sich hören. Der Emir trat einen Schritt zurück, starrte mich für einen Augenblick wie betroffen an, öffnete dann die Arme und kam mit den Worten auf mich zu:
„Effendi, du hier, du? Welch eine Freude! Eingetroffen aus dem Land der Fessarah! Komm an mein Herz; laß dich umarmen!“
Seine Freude war eine ebenso große wie aufrichtige; sie ehrte mich, weil sie mich beglückte. Sein Oberleutnant und Leutnant, der alte Onbaschi und viele der andern kamen herbei, um mir die Hände zu drücken. Einer hatte bisher von fern gestanden; jetzt drängte er seine lange, dürre Gestalt mit den unendlichen Gliedern durch die Menge und jauchzte mir schon von weitem zu:
„Effendi, o Effendi, meine Seele ist ganz Wonne, und mein Herz springt vor Freude, daß mein Auge dich jetzt wieder sehen darf! Du hast mir gefehlt, wie ein geliebtes Weib ihrem Mann. Ohne dich ist mir das Leben dunkel gewesen wie eine zugedeckte Feueresse, in welche man von unten blickt, und wie ein Stiefel, den man am falschen Fuß trägt. Kein Mensch hat sich um mich gekümmert; keiner hat auf meine Worte geachtet. Meine Tapferkeit ist dahingestorben und mein Heldenmut getrocknet wie ein Teerfleck auf dem Ärmel meines Gewandes. Nun aber kommt neue Wonne über mich, und meine Vorzüge und Geschicklichkeiten werden wieder wachsen und in allen herrlichen Farben spielen wie die Blase der Seife, welche unter dem sanften Hauch des Mundes sich vergrößert.“
„Und dann zerplatzt!“ fügte ich hinzu, indem ich ihm die Hand reichte und einen Schritt zurücktrat, denn er hatte eigentlich in höchst vertraulicher Weise seine ewig langen Arme um mich schlingen wollen. Ich glaube, sie hätten ausgereicht, sie mir nicht nur einmal, sondern zweimal um den Leib zu wickeln. „Wenn niemand auf dich geachtet hat, so bist jedenfalls nur du selbst schuld daran.“
Dieser lange Mensch war natürlich kein anderer als Selim, mein zweiter Diener, den ich bei dem Raïs Effendina gelassen und nicht mit zu den Fessarah genommen hatte, weil er alles verkehrt zu machen und mich aus einer Fatalität in die andere zu bringen pflegte. Er antwortete auf meine letzten Worte:
„Effendi, da verkennst du mich, wie so oft. Ich habe redlich teil an allen ihren Sorgen und Leiden genommen, bin ihnen in allem als leuchtendes Beispiel vorangegangen und habe ihnen ein Muster gegeben, welches sie freilich während ihres ganzen Lebens nicht erreichen können.“
„Im Essen, ja!“ rief einer. „Sonst aber hat er weiter nichts gemacht. Essen, trinken, rauchen, schlafen und prahlen!“
„Schweig!“ donnerte ihn der Lange an. „Dein Mund ist eine Quelle, aus welcher ungenießbares Wasser fließt. Effendi, du hättest mich zum Beispiel nur gestern sehen sollen, als wir nach der Dschesireh Hassanieh zogen, um die Sklavenjäger zu fangen! Meine Gestalt ragte über alle empor, und in meinem Herzen brannte die Glut einer Kampfbegierde, welcher kein Mensch widerstehen konnte. Als das die Sklavenjäger sahen, liefen sie auf und davon; wir trafen sie nicht mehr an, und ihr Schiff war fort. Das hat der Emir ganz allein meiner siegreichen Anwesenheit zu verdanken.“
„Fang nicht gleich jetzt beim ersten Zusammentreffen an, schon wieder aufzuschneiden!“ warnte ich ihn. „Wir haben andere Dinge zu hören, als das oft gehörte Lob eines Ruhmes, den du gar nicht besitzest.“
„Das ist wahr“, stimmte der Emir bei. „Es müssen wichtige Dinge geschehen sein, daß du nach Hegasi anstatt nach Karthum kommst. Warum finde ich dich in der Gesellschaft eines Steuermannes der Sklavenhändler? Und wo hast du deine Asaker?“
„Sie sind noch zurück und werden dir eine Schar Sklavenjäger von Ibn Asl bringen, die ich gefangen habe.“
„Schon wieder hast du welche ergriffen? Und von Ibn Asl? Effendi, was bist du für ein glücklicher Mann! Ich habe seit dem Wadi el Berd nichts, gar nichts gefangen.“
„So freue dich, denn morgen wirst du, wenn mich nicht alles täuscht, Ibn Asl selbst in deine Hand bekommen.“
„Wirklich, wirklich? Wo befindet er sich?“
„Im Maijeh es Saratin, wie dieser Abu en Nil vorhin gesagt hat.“
„Wo liegt der Maijeh?“
„Oberhalb des Dorfes Qaua.“
„Da oben warst du? Wie ist das zu begreifen?“
„Oh, ich war gestern auch, bevor du kamst, in Hegasi und in der Dschesireh Hassanieh. Ibn
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