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28 - Im Lande des Mahdi II

28 - Im Lande des Mahdi II

Titel: 28 - Im Lande des Mahdi II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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daran. Da der Steuermann der älteste von uns war und sich nicht so sehr anstrengen sollte, übergab ich ihm nun meinen bisherigen Platz und griff mit Ben Nil zu dem Ruder.
    „Soll ich nach der Mitte des Stromes halten?“ fragte der Alte.
    „Nicht ganz.“
    „Warum nicht? Wir haben dort ja vollen Wind.“
    „Das ist wahr, aber wir könnten da den Raïs Effendina verfehlen.“
    „So meinst du also doch, daß er jetzt aufwärts kommt?“
    „Nein; aber er kann irgendwo am Ufer liegen. Mag er sich befinden, wo er will, jedenfalls hält er scharfe Wache. Darum habe ich die Fackeln mitgenommen. Er soll uns bemerken und anrufen, damit wir nicht an ihm vorüberfahren.“
    „So bitte ich dich, mich nach meinen Gedanken steuern zu lassen. Ich kenne die Bahri, welche die Schiffer einzuhalten pflegen, und auch diejenigen Stellen, wo man anlegen und den Fluß beobachten kann.“
    Ich konnte nichts Klügeres tun, als ihm seinen Willen zu lassen. Hätte ich nur gewußt, wo der Raïs Effendina zu suchen war! Er hatte die Vögel ausgeflogen gefunden; er hatte jedenfalls mit den Leuten des Schiffes, welches angehalten worden war, gesprochen und da genug erfahren, um wissen zu können, in welcher Richtung er die Gesuchten finden könne. Ich nahm an, daß er mit seinen Asakern schleunigst nach Hegasi zurückgekehrt sei und dort seinen ‚Falken‘ bestiegen habe, um südwärts zu segeln. Traf dies zu, so mußten wir ihm entweder unterwegs begegnen oder er hatte beim Anbruch des Abends irgendwo angelegt, und zwar an einer Stelle, wo er jedes vorüberkommende Fahrzeug sehen konnte.
    Unsere jetzige Nachtfahrt ging freilich schneller als die heutige Aufwärtsfahrt. Wir hatten drei Motoren, das Gefälle des Flusses, den Wind und die Ruder. Leider war das Boot sehr groß; mit einem kleineren wären wir noch viel rascher vorwärts gekommen. Dennoch war seit dem Augenblick, an welchem wir den Maijeh verlassen hatten, noch nicht eine Stunde vergangen, als wir an die Helle Qaua gelangten. Dieses Dorf war damals Regierungs-Depot am weißen Nil. Es lagen da ganz bedeutende Getreide- und andere Vorräte, und jedes südwärts segelnde Schiff versah sich da mit den noch notwendigen Bedürfnissen, welche von da an um so teurer werden, je weiter man nach Süden kommt.
    Wir legten hier für kurze Zeit an, um uns bei dem Haris el Mischrah (Hafenwächter) zu erkundigen, ob das Schiff des Raïs Effendina gesehen worden sei. Die Antwort war eine verneinende, und so segelten und ruderten wir weiter.
    Eine Nacht auf dem Nil! Welch ein Sujet für einen Dichter! Mir aber war gar nicht poetisch zu Mute. Ich hatte eine ganze Reihe von Nächten nur wenig geschlafen, war infolgedessen sehr abgespannt und mußte doch – rudern. Mit meinem Ben Nil war es nicht anders. Ich glaube, er ruderte zuweilen, ganz so wie ich, mit geschlossenen Augen, halb oder gar dreiviertel im Schlaf. Der alte Abu en Nil war ebenso einsilbig wie wir. Er hatte keine solchen Anstrengungen hinter sich, und so vermutete ich, daß seine Schweigsamkeit einen ganz besonderen Grund haben müsse. Nach demselben befragt, antwortete er mir:
    „Müde bin ich nicht im geringsten, Effendi. Die Sorge ist's, die mir die gute Laune raubt. Ich bin ein Flüchtling.“
    „Ah, du hast Angst vor dem Raïs Effendina?“
    „Natürlich! Ich wurde damals von ihm auf dem Sklavenschiff ergriffen und wäre sicherlich sehr streng bestraft worden, wenn du mich nicht hättest entfliehen lassen. Und jetzt soll ich diesem strengen Herrn geradezu in die Hände segeln. Es wird mir schwer, die Bitte auszusprechen, aber, Effendi, gib mich noch einmal frei! Erlaube mir, an der ersten besten Stelle das Boot zu verlassen!“
    „Willst du nicht wieder auf dein Schiff zurück?“
    „Ehe ich es erreiche, bin ich gefangen.“
    „Aber du bist einsam und mittellos. Du hast nichts bei dir. Was willst du anfangen?“
    „Ben Nil, mein Enkel, wird ja bei mir sein!“
    „Nein“, antwortete dieser. „Du bist der Vater meines Vaters, und es ist Allahs Gebot, daß ich dich achten und ehren soll. Das tue ich auch. Aber jetzt bin ich der Diener dieses meines Effendi, und nichts kann mich vermögen, ihn zu verlassen.“
    „Sohn meines Sohnes, wer hätte das von dir gedacht! Willst du das Blut verleugnen, welches in deinen Adern fließt? Willst du gegen die Gesetze handeln, die in der Brust eines jeden Menschen vorhanden sind?“
    „Nein. Die Liebe zu dir und die Treue für meinen Effendi lassen sich wohl miteinander

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