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283 - Der Zorn der Königin

283 - Der Zorn der Königin

Titel: 283 - Der Zorn der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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merkwürdige Dinge vor. Man berichtet von schrecklichen Wesen, die aus der Erde kriechen und die Gegend um die Absturzstelle unsicher machen.« Bei seinen letzten Worten hatte der Göttersprecher die Stimme gesenkt. Besorgt blickte er über die Köpfe der Lauschenden.
    Plötzlich hieb er mit dem Schwert gegen die Kupferschale. Das singende Geräusch des Gefäßes ließ die Menschen erschrocken zusammenfahren.
    »Ich sage euch, es waren Orguudoos Dämonen, die den Hort der Götter zum Absturz gebracht haben!«, rief jetzt der Greis. »Ein Kampf steht bevor! Ein Kampf zwischen Göttern und Dämonen, der das Schicksal der Menschen besiegeln wird. Und es liegt an euch, hier untätig zu bleiben oder mit mir zu ziehen, um die Götter zu unterstützen.« Damit steckte er das Schwert zurück in die Scheide und verschränkte die Arme.
    Nach diesen Worten herrschte Ratlosigkeit und Angst unter den Umstehenden. Diejenigen, die den Alten eben noch als Scharlatan beschimpft hatten, blickten betreten zu Boden.
    Da erhob der Göttersprecher noch einmal seinen Bass. »Ich verstehe, wenn die meisten von euch Heim und Hof nicht verlassen wollen. Doch auch ihr könnt die Sache unterstützen… mit ein wenig Proviant oder ein paar Münzen für die, die sich mutig mit mir auf den Weg machen wollen.«
    »Ich gehe mit dir!«, rief plötzlich der lange Kuurt neben Roloff. Mit glänzenden Augen sprang er von der Ruinenmauer und rannte zum Podest.
    »Ich auch!«, meldete sich nun auch der schielende Hainer. Aufgeregt folgte er seinem Kameraden.
    Roloff schaute den beiden nachdenklich hinterher. Er hatte gespannt der Rede des Alten gelauscht. Die seltsamen Vorgänge im Osten machten ihn neugierig. Sollte er sich seinen Kameraden anschließen?
    Warum eigentlich nicht? Irgendetwas muss dran sein an der Sache. Hatten nicht auf dem Dreimaster ein paar Kameraden behauptet, einen brennenden Berg am Himmel gesehen zu haben?
    Noch unsicher beobachtete er den Göttersprecher, der inzwischen mit einem Korb die Gaben der Leute einsammelte. Schließlich stand auch Roloff auf. Warum nicht als Held nach Beelinn zurückkehren? Außerdem will ich wissen, was da los ist!
    ***
    Anfang November, London
    Bis November waren die ehemalige Queen und die Hingers in Basingsloke geblieben und hatten mitgeholfen, die Schäden des Unwetters zu beseitigen. Dafür waren sie von den dankbaren Dorfbewohnern versorgt worden mit allem, was sie zum Leben brauchten. Am Tag ihrer Abreise fuhr sie der Bürgermeister von Basingsloke sogar persönlich in seinem Wakudakarren bis zu den Ufern der Themse. Nachdem sie sich dort von ihm verabschiedet hatten, waren sie den Fluss entlang gezogen und hatten zwei Nächte in verlassenen Ruinen verbracht.
    An einem kalten grauen Vormittag erblickten sie schließlich in der Ferne die Ruinen Londons. Wie dunkle Riesen ragten ihre Umrisse in den Himmel. Victoria Windsor blieb am Rande der Uferböschung stehen und schob sich die Kapuze ihrer Jacke aus dem Gesicht. Obwohl sie die letzten Stunden nur an das Ziel im Osten gedacht hatte, überwältigte sie jetzt der Anblick ihrer einstigen Heimat.
    Hier war sie geboren und im Kreise ihrer Familie auf gewachsen. Hier hatte sie als Königin die Geschicke der Bunkerleute gelenkt, Liebe und Enttäuschung erfahren, Frohsinn und Trauer. Hier lagen ihre Wurzeln, denen sie so jäh entrissen worden war. Hier hatte sich ihr Schicksal entschieden. Und hier schließt sich nun der Kreis!
    Während ihr all das durch den Sinn ging, brannte der fast vergessene Hass erneut in ihr auf und durchflutete jede Faser ihres Körpers. Plötzlich wusste sie wieder, was zu tun war.
    Die Lords müssen sterben für das, was sie mir antaten. Alle! Mit finsterem Blick und dem stummen Schwur auf den Lippen zog sie sich die Kapuze tief in die Stirn und folgte Meikel und Enna.
    Die beiden waren inzwischen schon ein ganzes Stück vorausgelaufen. Von den Strapazen der letzten Wochen hatte Enna kräftig abgespeckt. Wie ein Sack hing das einst enge Kleid an ihrem Körper. Um die gefütterte Lederjacke passte inzwischen ein Gürtel, in dem Keule und Dolch steckten. Verfilzte graue Haarsträhnen lugten unter ihrer dunklen Wollmütze hervor. Schon lange kämmte sie nicht mehr ihr Haar. Schon lange wusch sie sich nicht mehr. Nichts war mehr übrig von der einst reinlichen, fröhlichen Frau.
    Mit Meikel verhielt es sich nicht anders. Schmutzig grau wucherten Bart und Haare aus Kopf und Gesicht. Ein beißender Gestank ging von ihm aus. Seine

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