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283 - Der Zorn der Königin

283 - Der Zorn der Königin

Titel: 283 - Der Zorn der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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mit Vorräten einzudecken oder selbst etwas feilzubieten von der kargen Ernte ihrer kleinen Äcker im Hinterland. Auf manchen der Karren befand sich auch einfach nur schmutzige Wäsche, die unten am Fluss gewaschen werden musste.
    Handwerker standen vor den offenen Toren ihrer Häuser und bearbeiteten mit Hammer und Säge, Holz und Eisen. Der Lärm von Werkzeugen und Stimmen schallte schmerzhaft in Roloffs Ohren und Kopf. Eilig drängte er sich durch die Menge.
    Beim Stadttor stockte der Strom der Menschen. Der mächtige Torbogen aus rotem Sandstein wirkte wie ein Nadelöhr. Wächter mit grobschlächtigen Gesichtern lotsten die Passierenden durch den engen Durchgang.
    Roloff atmete auf, als er endlich den Platz dahinter erreicht hatte und die Menge sich auflöste. Die gepflasterte Anhöhe gab den Blick auf den Hafen frei: Segelschiffe, Lastkähne und alte Schaluppen lagen im Hafenbecken vor Anker.
    Auf der schmalen Landzunge zwischen der Köpernitz und dem Kanal bei den Fabrikruinen tummelten sich die Menschen zwischen den bunten Warenständen des Marktes. In der Ferne ragte das rote Speichergebäude in den Himmel. Dahinter hingen graue Wolken über der Hafenausfahrt zur Ostsee.
    Roloff ging bei diesem Anblick das Herz auf. Vergessen waren die Kopfschmerzen und die blauen Flecken auf seinem Körper. Er lief die Anhöhe hinab. Tauchte ein in das pulsierende Gewimmel und vergaß seinen Ärger. An einem der Marktstände besorgte er sich Kaffee, Brot und Gebäck. Auf der Suche nach einem gemütlichen Plätzchen entdeckte er einige Kameraden vom rulandischen Dreimaster. Wie zerfledderte Vögel auf der Stange, hockten sie auf der Ruinenmauer vor dem Speichergebäude.
    Der Mann aus Beelinn gesellte sich zu ihnen. Während er sie freundlich begrüßte, zwängte er sich zwischen den langen Kuurt und den schielenden Hainer. Kuurt stieß ihm freundschaftlich in die Rippen. »Wohl 'ne turbulente Nacht gehabt, was?« Feixend deutete er auf Roloffs verbeultes Gesicht.
    »Schlimmer noch -«, setzte der Beelinner zu einer Antwort an.
    Doch Hainer unterbrach ihn mit zischelnder Stimme. »Still! Ich will hören, was der Alte zu sagen hat.« Der Schielende deutete zu dem hölzernen Podest vor ihnen, auf dem eine hagere Gestalt auf und ab lief. Es war ein Greis mit wallenden, schneeweißen Haaren und gezwirbeltem Schnurbart. Weite Leinenhosen schlotterten an seinem dünnen Körper. Er trug eine dunkle Uniformjacke mit goldenen Knöpfen. Aus dem Waffengürtel an seinen Hüften ragten ein Kurzschwert und eine antik anmutende Pistole.
    Roloff hielt ihn zunächst für einen Gardisten. Doch dann fiel sein Blick auf das Holzgestell mit der Räucherschale in der Mitte des Podestes. Und erst jetzt bemerkte er die Kette an der Brust des Alten, in deren silbernen Gliedern Tierknöchelchen, löchrige Steine und Federn hingen. Der Greis musste einer der wandernden Göttersprecher sein! Offensichtlich hatte er eine längere Rede gehalten und ließ etwas Zeit verstreichen, damit seine Worte wirken konnten.
    Der Beelinner beobachtete die schweigende Menge, die das Podest umringte. Abwartend blickten die Leute hinauf zu dem Alten. Der war inzwischen vor dem Holzgestell stehengeblieben und warf ein trockenes Kraut in die Schale aus Kupfer. Eine dünne Rauchsäule kräuselte sich in die Luft.
    »Lügner!«, schrie plötzlich eine zornige Stimme. »Du willst dich nur an unserer Angst bereichern.«
    »Jawohl. Nichts weiter als ein Scharlatan ist er!«, bestätigte ein bulliger Mann in Roloffs Nähe den Vorredner. Sogleich erhob sich aufgebrachtes Raunen.
    Den Göttersprecher schien der Tumult nicht weiter zu stören. Seelenruhig stocherte er mit einem stiftförmigen Eisen im Rauchwerk herum. Erst als das Raunen zu wütendem Gebrüll angeschwollen war und eine Handvoll Männer mit Mistgabeln und Äxten das Podest stürmen wollte, riss er sein Kurzschwert aus der Gürtelscheide und fuchtelte damit gen Himmel. »Wenn ich ein Lügner bin, was regt ihr euch dann so auf?«
    Während seine Bassstimme das Gebrüll der Menge übertönte, schlug auf einmal eine Stichflamme aus der Schale und eine schwarze Rauchwolke stieg auf.
    Schlagartig verstummte das wütende Geschrei. Mucksmäuschenstill wurde es auf dem Platz.
    »Ich bleibe dabei: Es war ein Palast der Götter , der nicht weit entfernt vom Himmel stürzte.« Mit der Klinge seines Schwertes deutete der Greis nach Osten. »Er brannte lichterloh und die Erde bebte, als er niederfiel. Seither gehen dort

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