283 - Der Zorn der Königin
die einzige, die du hier unten finden kannst.« Seine Augen funkelten.
Victoria Windsor schluckte. Ohne sich dagegen wehren zu können, überwältigten sie nun doch noch die düsteren Erinnerungen an längst vergangene Zeiten. Und mit ihnen der Zorn auf diesen Mann, der sie einst verraten hatte. Vergeblich versuchte sie diese Gefühle zu unterdrücken. »Helfen willst du mir? So wie damals, als du mich tatenlos den Lords überlassen hast?«, platzte es aus ihr heraus.
Mars starrte sie geschockt an. Als hätte sie ihm eine glitschige Kröte unter die Decke gesetzt, wand er sich bei der Suche nach einer passenden Erwiderung. Doch da gab es nichts zu erwidern. Die Anklage Lady Victorias ließ keinen Raum für Worte oder Taten. Ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen, sprang sie auf, riss ihren Umhang von der Stuhllehne und verließ das Zimmer. Geräuschvoll fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.
Sie war noch keine drei Schritte gegangen, als Claudius Merylbone plötzlich vor ihr stand. »Ich weiß, was du vorhast«, knurrte er schmallippig. »Doch es wird dir nicht gelingen unsere Gemeinschaft zu entzweien, du dreckige Hure.«
»Wie kannst du es wagen?« Victoria sah rot. Sie holte aus, um Claudius zu ohrfeigen, doch Merylbone war schneller. Wie ein Schraubstock umklammerte seine Faust ihr Handgelenk. Mit einem angewiderten Gesichtsausdruck spuckte er vor ihr aus. Dann ließ er sie los und ging einfach davon.
Wie betäubt setzte die Ex-Queen ihren Weg zur Krankenstation fort. Tränen der Wut glitzerten in ihren Augen. Jede Demütigung wird er teuer bezahlen. Jede! Keiner der Demokraten durfte so mit ihr umgehen. Auch wenn sie hier unten im Moment nicht das Sagen hatte, musste der Respekt gewahrt bleiben. Schließlich war sie einst die Königin gewesen!
Doch Claudius Merylbone sollte nicht der Einzige bleiben, der sich einen Dreck um diese Tatsache kümmerte. Das begriff Victoria Windsor, als sie einige Stunden später Lady Josephine Warrington gegenüberstand. Die einstige Prime hatte ein Vieraugen-Gespräch mit ihr abgelehnt. Wie schon zu Beginn ihres Aufenthalts, musste die Queen sich wieder dem Tribunal der Demokraten stellen. Einzig Samuel Armadie fehlte bei dieser Farce. Er bewachte mit seinen Männern den Hauptstützpunkt in Northolt und überholte die Waffenanlage des viergliedrigen EWATS.
Die eiserne Lady machte gleich zu Beginn der seltsamen Versammlung unmissverständlich klar, dass Victoria in der Community nur geduldet war. Weder bot sie ihr einen Stuhl, noch etwas zu trinken an. Auch ließ sie ihr nicht den Hauch einer Chance, über Vergangenes oder den Rachefeldzug gegen die Lords zu reden.
Wie eine fette Kröte thronte sie auf ihrem Stuhl und musterte Lady Windsor geringschätzig. »Wir erweisen unseren Toten die Ehre, indem wir den Bunker wieder instand setzen und die Community nach den Maßstäben der Demokraten führen. Dazu brauchen wir keine Monarchie. Und auch keine Queen, die uns gegen die Socks in den Kampf führt. Haben wir uns verstanden?«
Victoria bebte vor Zorn. Es war weniger der Inhalt der Worte als die Art und Weise, wie Warrington sie vortrug, die sie rasend machte. Am liebsten hätte sie der korpulenten Frau den lächerlichen pinkfarbenen Perückenturm vom haarlosen Schädel gerissen. Doch sie wollte der Lady nicht auch noch die Genugtuung verschaffen, zu erleben, wie sie ihre Fassung verlor. Ich brauche weder dich noch deine Vasallen , dachte sie. Verborgen unter ihrem Umhang ballte sie die Hände zu Fäusten und schwieg.
Anscheinend hatte die eiserne Lady noch nicht genug von ihrem bösen Spiel. Denn jetzt wies sie die Bunkersoldaten an, »die andere unerwünschte Person in den Raum zu führen«. Ehe Victoria noch recht begriff, was vor sich ging, stand Enna neben ihr. Ihren Rucksack auf dem Rücken und den Nagelknüppel in der Hand, betrachtete sie neugierig die Technos. »Ist das die Schiffsmannschaft?«, fragte sie mit ausdrucksloser Stimme.
Josephine Warrington beachtete die Fischersfrau gar nicht. Ihr Blick ruhte nur auf der bleich gewordenen Queen. »Machen wir es kurz: Mir wurde zugetragen, dass Sie keine Gelegenheit auslassen, die Menschen im Bunker gegen unser bestehendes System aufzuwiegeln. Darum sind wir nicht länger gewillt, Sie und ihre Begleiterin zu beherbergen. Mister Hawkins und Mister Merylbone werden Sie und Miss Hingers zum Ausgang begleiten.«
Reglos hatte Victoria Windsor den Worten von Josephine Warrington gelauscht. Kein Wort der Erwiderung
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