283 - Der Zorn der Königin
dass der Mann recht hatte. Doch wenn er jetzt aufgab, was wurde dann aus Steewens? Und wenn er nicht aufgab, was wurde dann aus dem Jungen? Wie er es drehte und wendete, es blieb sich gleich. Also hielt er seine Waffe weiter auf den Kopf des anderen gerichtet. Auch noch, als in seinem Rücken der Schrittlärm anrückender Soldaten laut wurde. Neben sich spürte er die Anspannung seiner Lords.
»Ich will den Jungen!«, schnaubte er.
Der Rothaarige wechselte einen irritierten Blick mit seiner Genossin. »Welchen Jungen?«, wollte er wissen. Dabei streifte sein Blick immer wieder über Torias Pistole. Weniger ängstlich, sondern so, als ob irgendetwas nicht stimmte mit der Waffe.
Der Grandlord ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Langsam zog er an der silbernen Kette um seinen Hals und hielt das Medaillon daran dem Techno vor die Nase. »Den Jungen, dem das hiea gehöwt. Meinen Neffen, den iha hiea gefangen haltet, will ich wiedeaham.«
Verblüfft starrte der Rothaarige auf das Schmuckstück. Die Alte neben ihm schien ebenso überrascht wie er. Als ob das Medaillon ein Licht in den Köpfen der beiden angeknipst hätte. Schließlich wandte sich der Mann wieder an Paacival. Ein betroffener Ausdruck lag in seinem Gesicht. »Sie hat dich reingelegt«, sagte er leise. »Die Queen hat uns alle reingelegt.«
Paacival verstand erst nicht. Doch als die grauhaarige Frau ihm in knappen Worten schilderte, mit wem sein Neffe in den Bunker gelangt war, begriff er. Und als er hörte, dass Steewens längst seinen Verletzungen erlegen war, schien der Boden unter seinen Füßen zu schwanken. Kraftlos ließ er die Waffe sinken. Einen Augenblick lang war ihm egal, was nun mit ihm geschehen würde.
Doch dann dachte er an die vielen Toten, die die vermeintliche Befreiungsaktion gekostet hatte. Hass entflammte in seiner Brust. Hass auf die Queen und ihre kleine dreckige Handlangerin Toria.
»Wo ist sie?«, flüsterte er heiser. »Wo ist die Queen?«
»Wo sie ist?« Der Rothaarige lachte höhnisch. »Das müsstest du doch am besten wissen. Sie hat dir Medaillon und Waffe gegeben und dich doch hierher geführt. Wie konntest du so dumm sein, dich mit ihr einzulassen? Hast du wirklich geglaubt, sie hätte dir und deinem Volk vergeben, was ihr Lords ihr damals angetan habt?« Der Maulwurf schüttelte abfällig seine roten Locken. »Victoria Windsor vergibt nicht! Sie wird nicht eher ruhen, bis auch der Letzte von uns tot ist.«
***
Lady Victoria lauschte reglos dem Kampflärm. Das Laserphasengewehr in beiden Händen, saß sie auf dem Treppenabsatz am Ende des Metallstegs. Ihre Augen glitzerten wie Smaragde im Sonnenlicht und um ihren Mund lag ein kaltes Lächeln. Die Schreie der Sterbenden klangen wie Musik in ihren Ohren und jeder Schuss ließ das Herz in ihrer Brust hüpfen. Ein Toter mehr! Dabei spielte es keine Rolle, ob er zu den Bunkerbewohnern oder zu den Lords gehörte: Jede Leiche erschien ihr wie ein Geschenk des Universums. Wahrlich, sie genoss ihre Rache!
Sie wäre gerne noch länger geblieben, doch die Zeit drängte. Sie stand auf und versetzte Djeyms einen Tritt. Polternd rollte sein blutiger Körper die Stiegen hinunter, bis er bei den anderen Toten liegen blieb; Technos, die hatten flüchten wollen. Den Rest würde Victoria den Taratzen überlassen, die schon ganz aufgeregt auf dem Metallsteg in ihrem Rücken hin und her trappelten. Nur Hrrney lauerte reglos neben der ehemaligen Königin, den gierigen Blick seiner roten Augen auf die Leichen am Fuß der Treppe gerichtet.
Victoria hatte ihn vor zwei Nächten für ihre Pläne gewonnen. Lange vor Sonnenaufgang war er mit seinen Pelzröcken angerückt und hatte sich in den Ruinen der Glaskuppel versteckt. Bis die Ex-Queen ihm das Zeichen zum Angriff geben würde.
Jetzt war es so weit. Hrrney und seinen Taratzen oblag es, die geschwächten Sieger der Auseinandersetzung niederzumachen. »Lasst keinen übrig!«, raunte sie dem Taratzenkönig zu, während sie ihm den Weg freigab. Er bleckte seine gelben Zähne und stieß ein durchdringendes Krächzen aus. Dann stürmte er mit seiner hässlichen Rotte die Eisenstiegen hinab.
Zufrieden vernahm Lady Victoria die aufgeregten Schreie der Menschen und das Fauchen der mutierten Ratten.
Als wollte sie sämtliche Erinnerungen, die sie mit diesem Bunker verband, zu Staub zertreten, so stampfte sie über den Metallsteg. Nie mehr wollte sie hierher zurückkehren.
Und während sie das zerstörte Bunkerschott hinter sich ließ,
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