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283 - Der Zorn der Königin

283 - Der Zorn der Königin

Titel: 283 - Der Zorn der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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spießen.
    Paacival seufzte. Er war sich nie sicher, ob der Junge auch wirklich begriff, was er ihm beizubringen versuchte. Nachdenklich glitt sein Blick über den kleinen Blondschopf an seiner Seite: Ein liebenswerter Bursche, doch leider total verweichlicht. Bei dem rauen Umgang, den die Kids des Ruinendorfes miteinander pflegten, würde der Kleine bald untergehen. Warum musste seine Schwester auch vor vielen Jahren unbedingt dem Vater des Kindes nach Southend folgen? Paacival war dagegen gewesen, dass sie die Sippe verließ, um sich dem Fremden anzuschließen. Doch sie hatte nicht auf ihn hören wollen.
    »Nie wieda soll dein Name in mein Home eawähnt weaden! Ich hab keine Sistaa mea!«, hatte er ihr damals nachgerufen. Bei der Erinnerung daran starrte der Grandlord trübsinnig ins Wasser. Jetzt bedauerte er seine Worte: Seine Schwester war tot. Aufgespießt von Wisaauhauern. Umgekommen bei der Jagd. Sie und ihr Mann. Die Fremden aus Southend hatten Paacival davon berichtet, als sie vor zwei Monden den Jungen zu ihm brachten.
    Wenn sie hiageblieben wäa, wüade sie jetzt noch leben. Und das Kind wäa nicht so leichtgläubig und gutheazig. Paacival gab einen ärgerlichen Grunzlaut von sich. Er würde dem Kleinen diese Flausen schon austreiben. Einen anständigen Grandlord wollte er aus ihm machen.
    Wieder glitt sein Blick zu dem Jungen. Der hatte inzwischen den Köder am Haken befestigt und seine Angel ausgeworfen. Als wäre sie ein zerbrechliches Kleinod, balancierte er die Rute mit seiner Rechten über das Wasser. Die Linke umklammerte das Amulett an seiner Brust. Wie ein Ertrinkender hielt er sich an dem ovalen Anhänger fest, der an einer silbernen Kette um seinen Hals hing.
    »Was machste da? Lass das blöde Amulett los und halt die Angel mit beiden Händen!«, raunzte Paacival ihn an.
    Steewens zog ein trotziges Gesicht. »Is nich blöd. Is von meina Mum. Bwingt Glück und Fische.«
    »Was'n Schwachsinn! An solche Ammenmäachen glauben nua Wooms.«
    »Du läufst doch auch die ganze Zeit ohne Schuhe wum, weil's Glück bwingt«, erwiderte Steewens störrisch.
    Verdutzt blickte Paacival auf seine schrundigen Füße. Sie starrten vor Dreck. Eine fingerdicke Hornhaut bedeckte die Unterseite. Tatsächlich trug er seit fast einem Jahr kein Schuhwerk mehr. Seit dem Tag, als sein Freund und Kampfgefährte Biglord Djeyms ihm das Leben gerettet hatte. Vor diesen unheimlichen Schatten, die Menschen in Stein verwandelten.
    Während er selbst ungeschoren davongekommen war, war sein Freund zur leblosen Statue erstarrt. Das war der Grund, warum Paacival damals auf seine Stiefel zu verzichten begann. Sozusagen als Dankesopfer für die Götter, die ihn beschützt hatten. Das hätte er dem Jungen jetzt erwidern können. Doch inzwischen überwog ein ganz anderer Grund, der weitaus schwieriger zu erklären war.
    Er brachte es nicht übers Herz, den versteinerten Freund zu begraben. Wie einen Schrein stellte er ihn neben dem Kamin in seinem Wohnhaus auf. Ob man so mit Toten umgehen durfte? Er wusste es nicht. Die einzige ihm bekannte Regel lautete: Die Verstorbenen mussten mit allen Körperteilen begraben werden, damit ihr Geist in Frieden ruhen konnte. Mit versteinerten Leichen hatte er keinerlei Erfahrung. Der einstige Druud Alizan hätte darüber Auskunft geben können.
    Doch auch er war tot. Dreckige Taratzen hatten den Druud einen Kopf kürzer gemacht. Den Schädel des alten Göttersprechers hatte man nie gefunden und ihn ohne Kopf begraben müssen. Seither hatten viele der Bewohner Chelseas den Geist des Druiden in mondlosen Nächten gesehen. Und seither lag ein Fluch auf Paacivals Leben. So vermutete der Grandlord.
    Erst kamen die Schatten und nahmen ihm den Freund. Dann wurden die Maulwürfe auf der anderen Seite des Flusses wieder aktiv: Die verfluchten Technos begannen plötzlich den gefluteten Bunker trockenzulegen. Das führte wiederum zu Unmut unter den Lords. Besonders die Verbannten im Randgebiet des Ruinendorfes machten Probleme. Unter der Führung von Littlelord Seimes verlangten sie von Paacival, den unterirdischen Bau zurückzuerobern. Noch konnte er sie hinhalten mit der Aussicht auf einen Krieg, sobald der Bunker wieder bewohnbar wäre.
    Schließlich kam noch die Nachricht vom Tod seiner Schwester. Und als ob das alles nicht schon genug wäre, waren vor einigen Wochen urplötzlich die Kwöötschis an die Themse zurückgekehrt. Zwei seiner Leute waren den mutierten Riesenkröten bereits zum Opfer gefallen.

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