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284 - Augen der Ewigkeit

284 - Augen der Ewigkeit

Titel: 284 - Augen der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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Fesselung, dass der Bizeps hervortrat. Er versuchte auch, den Kopf hin und her zu werfen, doch der war mit einem Riemen über die Stirn an der Pritsche fixiert.
    »Was ist hier los? Wo bin ich?«, plärrte er. »Warum kann ich nichts sehen?«
    »Ich schätze, er ist wach!« Mit spitzen Fingern zog Cormand die Mullstückchen von den Augen.
    Im nächsten Moment gellte ein Schrei durch den Raum, der Diana Hoyt zusammenfahren ließ.
    »O mein Gott!« Der Proband riss an der Stirnfessel. »Das ist so hell! Ich verbrenne!«
    Ein weiter Schrei, der Diana die Schmerzen nur erahnen ließ, die der arme Junge erleiden musste.
    »Was habt ihr mit mir gemacht, ihr Schweine?« Immer wieder zerrte er an den Lederriemen und warf sich hin und her. Speichel lief ihm aus dem Mund.
    Dann beruhigte er sich und lag schließlich sogar still. Eine gnädige Ohnmacht hatte ihn von der Pein befreit, die ihm das Laborlicht bereitet hatte.
    Die Probandin, die eine Woche vor dem Jungen auf der Pritsche gelegen hatte, hatte etwas von Glassplittern in ihren Augen geschrien. Ein Kloß wuchs in Dr. Hoyts Kehle, als sie sich wieder einmal bewusst machte, was sie und ihre Kollegen den Leuten antaten.
    »Das war ja wohl wieder nichts«, giftete Milan.
    »Das würde ich nicht sagen«, entgegnete Dr. Cormand. »Die Schmerzen sind ein Produkt der extrem übersteigerten Lichtempfindlichkeit, die mit der Übersensibilisierung der eigentlich gesunden Zapfen ihrer Netzhaut einhergeht. Bei Ihnen, Monsieur Milan, wäre die Reaktion natürlich weitaus moderater.« Er hob die mit Nährflüssigkeit gefüllte Petrischale hoch. »Jetzt müssen wir nur noch einige Gewebeproben entnehmen und untersuchen, dann wissen wir, wie groß der Schritt war, den wir gerade getan haben.«
    »Also gut«, sagte Milan. »Aber machen Sie zukünftig noch größere Schritte. Ich verliere allmählich die Geduld.«
    Mit einem abschätzigen Blick in Richtung des Probanden drehte er sich um und ging zur Labortür. Dort blieb er stehen und wandte sich noch einmal an Cormand. »Wenn Sie mit ihm fertig sind, übergeben Sie ihn Ray. Er wird ihn vor das Tor legen. Und vergessen Sie nicht Ihre kleine Zauberspritze!«
    »Wird erledigt.«
    Als sich die Labortür hinter ihm schloss, blickte Diana zu Xavier Cormand, den sie wegen der Tränen in den Augen nur verschwommen sah.
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich bin auch nicht begeistert. Aber was sollen wir tun?«
    Kleine Zauberspritze. Bei dieser Bezeichnung drehte sich ihr beinahe der Magen um.
    Milan fürchtete, dass einer der Freigelassenen den Menschen in der Villa verraten könnte, wofür man ihn missbraucht hatte. Das könnte natürlich ein Problem für den Nachschub an Testpersonen bedeuten. Deshalb musste Dr. Cormand jedem Opfer eine Spritze geben, deren Inhalt für einen nachhaltigen Gedächtnisverlust sorgte.
    Dr. Hoyt seufzte. »Ja, was sollen wir tun?«
    Die Antwort war einfach. Sie lautete: Das Gleiche wie bisher.
    ***
    Juni 2013
    Schmerzen.
    Mörderische Qualen in den Augen. Als hätte jemand mit Sandpapier darüber geschmirgelt.
    Jemand? Aber wer?
    Da war noch mehr. Kälte! Sie nagte mit spitzen Zähnen an seiner Haut.
    Als er die Lider öffnete, sah er bei jedem Atemzug Kondenswolken vor seinem Mund aufsteigen. Wie konnte das sein? Es war stockdunkel, wo er sich befand. Wie vermochte er da zu sehen?
    Er blickte sich um. Er kannte die Gegend. Die Rampe, die nach einigen Metern vor einer breiten Stahltür endete. Die Säulen, die aus dem Schnee ragten.
    Keuchend rappelte er sich hoch. Die Kälte fuhr ihm in die Lunge und ließ sie schier platzen. Dafür nahmen die Schmerzen in den Augen ab.
    Die Rampe! Hier hatte er mit all den anderen gestanden, um Nahrung von den Herren des Bunkers zu empfangen. Aber was war dann geschehen? Er konnte sich nicht erinnern.
    Er drehte sich um. Sah die Villa. Und sank mit einem Schmerzensschrei auf die Knie.
    Dieses Licht! Dieses unglaublich helle Licht!
    Er schlug die Hände vor die Augen.
    Die Villa bedeutete Wärme. Bedeutete Nahrung. Aber sie bedeutete auch Schmerzen! Er konnte nicht dorthin zurückkehren.
    Zurückkehren? War er schon einmal in der Villa gewesen? Der Hauch einer Erinnerung versuchte sich durch den Sumpf seines Bewusstseins zu kämpfen, scheiterte aber.
    Weg hier! Nur weg von diesem Licht!
    Er stemmte sich hoch. Stapfte durch den Schnee. Ließ Licht und Schmerz hinter sich.
    Was blieb, war die Kälte.
    Schon nach wenigen Momenten fühlte er seine Füße nicht mehr. Er stürzte.

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