284 - Augen der Ewigkeit
wachsen. »Das hat Leutnant Mörike auch immer zu mir gesagt.«
»Wer ist Leutnant Mörike?«
Das Grinsen auf Xijs Gesicht erlosch. Sie runzelte die Stirn, als versuche sie krampfhaft, sich an etwas zu erinnern. »Keine Ahnung«, sagte sie schließlich.
Matt schüttelte den Kopf. Er wurde aus dem Mädchen einfach nicht schlau. »Also, rein mit euch in den Panzer. Es könnte sein, dass wir ein paar von den Morlocks aufschrecken. Deshalb verlasst ihr PROTO auf keinen Fall. Klar?«
Xij machte eine Kopfbewegung, die man nur bei großzügigster Auslegung als Nicken interpretieren konnte.
»Ist das klar?«, fragte Matt noch einmal mit mehr Nachdruck.
Das Mädchen knallte die Hacken zusammen, führte die rechte Hand im militärischen Gruß zur Schläfe und grinste dabei breiter denn je. »Jawoll, Herr Kommandant.«
»Gut. Also los, Aruula. Treten wir ein paar Morlocks in den Arsch…«
***
April 2015
Die Bilder des letzten Abends ließen ihn nicht mehr los. Immer wieder liefen sie vor ihm ab. Wie eine Szene auf einer DVD, die er nicht stoppen konnte.
Lag es an der Schuld, die er empfand, oder hatten seine Augen die Ereignisse tatsächlich abgespeichert? Er wusste es nicht. Es machte auch keinen Unterschied.
Für ihn nicht. Und für Claire, das Hausmädchen, schon gar nicht.
Er schloss die Lider. Die Bilder blieben und quälten ihn.
Er sah sich selbst mit Sophie in ihrem gemeinsamen Privatraum sitzen.
Privatraum! Was für ein hochtrabendes Wort für ein paar Quadratmeter. So etwas wie privat gab es im Bunker schon lange nicht mehr.
»Ich mache mir Sorgen um dich«, erklang die Stimme seiner Frau neben ihm. Obwohl sie sich bemühte, leise zu sprechen, sägte sie ihm schier den Kopf entzwei.
Warum ließen nur diese unsäglichen Schmerzen nicht nach? Es fühlte sich an, als kröchen Tausende von Käfern durch seinen Schädel, die mit ihren scharfen Maulscheren alles wegbissen, was sich ihnen in den Weg stellte.
Ja, er machte sich auch Sorgen. Musste Sophie ihm das auch noch ständig sagen? Reichte es nicht aus, wenn er sich selbst permanent fragte, was mit ihm schief lief?
Die Ärzte sagten, dass sich sein Zustand bald bessern werde. Dass sich sein Körper bald an die Veränderung gewöhnt haben würde.
Geschwätz!
Er konnte sehen, dass sie ihn belogen. Ihre sonst hellrot schimmernden Augen erstrahlten dann stets in giftigem Grün. Aber was sollte er tun? Sie rauswerfen? Alleine im Bunker bleiben? Alleine mit Sophie, seinem unnützen Personal und den Fresskäfern im Kopf?
Nein, er war auf die Weißkittel angewiesen. So leid es ihm tat.
Am schlimmsten neben den Kopfschmerzen waren die wabernden Farben, die er überall sah. Die den Raum ausfüllten wie bunte Seidenlaken, die im Wind wehten. Und hinter dem Stoff, ganz in Schwarz, lauerte… Ja, wer? Er konnte es nicht sehen. Aber er wusste, dass da jemand… etwas war. Und dieses Etwas war abgrundtief böse.
Er fühlte die Präsenz. Sie jagte ihm einen Schauder über den Rücken, ließ sein Herz rasen.
Der Wind wurde stärker. Er riss immer mächtiger an den Seidenlaken. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er sie davonwehte und den Blick freigab auf…
Und dann diese allgegenwärtigen Stimmen, die er nicht nur hörte, sondern auch als Wellen sah.
Roger Milan schüttelte den Kopf. Er hatte in seinem ganzen Leben noch keine Drogen genommen, aber in diesen Augenblicken hatte er sich wie auf einem nicht enden wollenden LSD-Trip gefühlt.
»Ich rede mit dir!«
Diesmal bemühte sich Sophie nicht mehr, die Lautstärke ihres Organs unter Kontrolle zu halten.
»Ich habe es gehört«, fuhr er sie an, was ihm die Fresskäfer mit einer besonders aggressiven Attacke dankten.
In diesem Moment öffnete sich die Tür und Claire betrat den Raum. Ohne vorher angeklopft zu haben! Und dann schnatterte sie auch noch drauflos!
»Tut mir leid, Madame, aber von der Vollmilchschokolade ist nichts mehr da. Es gibt nur noch zwei Schachteln mit Pralinen und…«
»Ruhe!«, brüllte Milan. »Und raus hier!«
Claire verstummte. Einen Augenblick lang sah sie ihn verdattert an, dann erzitterte ihr Körper. Ein Blutfaden rann ihr aus der Nase. In der nächsten Sekunde kippte sie nach vorn und versaute mit ihrem Blut seinen Teppich.
Sophie stieß einen spitzen Schrei aus. Dann kamen auch schon Dr. Cormand und Jean, der Chauffeur, angerannt. Der Arzt beugte sich zu Claire hinab, tastete ihren Puls und begann sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen. Vergeblich. Ihr war nicht mehr
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