288 - Labyrinth der Guule
orientalische Völker das Teetrinken zu einem Ritual gemacht hatten, das - zwar nicht immer starr festgelegt, aber doch einigen Regeln folgend - oft etwas Heiliges an sich hatte. Wenn die Nomaden von Tuurk das ähnlich sahen, standen ihnen wohl mehrere Runden beziehungsweise Teeaufgüsse bevor.
Er sollte Recht behalten, was die Dauer des Tee-Rituals anging. Dennoch wurde es nicht langweilig, denn man fand immer wieder Themen, über die man sich unterhalten konnte.
Nach zwei Stunden waren sie beim dritten Aufguss angelangt, und mit jeder Runde wurde der Tee dünner, da man ihn in der Kanne ließ und immer nur Wasser nachfüllte.
Matt fragte sich allmählich, ob Aruula nicht längst in der Luftschiffgondel hin und her lief, weil sie nicht wiederkamen. Er ging aber davon aus, dass sie sie aus der Ferne weiterhin beobachtete und sich denken konnte, was vor sich ging.
Auch Alastar war jetzt näher ans Feuer gerückt. Er hatte sich den Mantel eng um den Körper geschlungen; offenbar war ihm langsam doch etwas kalt geworden. Bisher hatte er geschwiegen, doch als nun eine längere Gesprächspause entstand, in der alle stumm an ihren Getränken nippten, sagte er unvermittelt: »Frag ihn nach Agartha.«
Xij Hamlet runzelte die Stirn. »Ich glaube nicht, dass er etwas darüber weiß. Wir sind noch viel zu weit vom Himalaja weg, als dass…«
»Frag ihn!«, forderte der Chef-Exekutor der Reenshas. »Je mehr wir darüber erfahren können, desto besser. Die Karawane ist offensichtlich viel herumgekommen. Wäre doch möglich, dass sie hier und da etwas aufgeschnappt haben.«
Rulfan legte einen neuen Fladen getrockneten Kamshaa-Dung in das bereits weit heruntergebrannte Feuer. »Es kann nicht schaden«, meinte er. »Vielleicht weiß Mahmad Xeter wirklich etwas, das uns helfen könnte.«
Matt zuckte mit den Schultern. »Okay, warum nicht.«
Xij stellte die Frage, aber Xeter schüttelte den Kopf. »Er kennt diesen Namen nicht«, übersetzte sie das Offensichtliche.
»Vielleicht sollten wir ihm von den Versteinerten erzählen«, schlug Alastar vor. »Möglicherweise kommt ihm daran etwas bekannt vor.«
Matt fasste kurz zusammen, dass sie nach versteinerten Menschen suchten und diese wohl auch in Agartha zu finden seien.
Die Augen des Karawanenführers weiteten sich. Er richtete sich auf und schaute Xij verwundert an. Hektisch winkte er den Mann herbei, der ihnen Tee serviert hatte, und flüsterte ihm erneut etwas ins Ohr. Der Angesprochene wieselte davon, und Xeter redete aufgeregt auf Xij ein.
Die kam mit dem Übersetzen kaum hinterher, so schnell sprach der Tuurk. »Er hat schon von Versteinerten gehört! In den Oasen erzählt man sich eine Legende: Im Osten, ein paar Tagesmärsche von hier, gibt es ein unterirdisches Labyrinth, riesig und uralt. Lange Zeit hausten dort namenlose Schrecken. Nicht viele derer, die die Höhlen und Gänge zu erkunden suchten, kamen auch wieder heraus. Und noch weniger berichteten davon, was sie dort unten gesehen hatten. Die es taten, waren sichtlich vom Schock gezeichnet und nicht mehr in der Lage, nachts alleine und ohne das Licht eines Feuers zu sein.«
»Weniger Dramatik, mehr Infos!«, knurrte Rulfan. Er hatte ein ganz besonderes Interesse daran, mehr über die Versteinerten zu erfahren, war doch auch sein Vater Sir Leonard Gabriel einer von ihnen gewesen und hatte ein überaus seltsames und rigoroses Verhalten an den Tag gelegt.
»Die Zurückgekehrten sprachen von einer Armee der Toten, von steinernen Figuren, die in Reih und Glied in einer Kammer aufgestellt sind«, fuhr Xij Hamlet fort. Mahmad Xeter redete sich gerade erst in Fahrt. »Voll bewaffnet, wie für einen großen Feldzug. Dort stehen sie und warten auf den Anführer, der sie aus ihrem Schlaf erweckt und in die Schlacht führt. Niemand weiß, wer der Gegner dieser Steinkrieger ist. Aber es muss ein Mächtiger sein, denn die Größe des Heeres ist gewaltig!«
»Wo liegt dieser Ort?«, fragte Xij nach.
Der Chef der Karawane erklärte ihr so gut er konnte die Lage des unterirdischen Labyrinths.
»Wie gesagt, es liegt weiter östlich«, übersetzte Xij. »Wenn wir dem Karawanenpfad folgen, gelangen wir zu einer Oase, die an einem See liegt. Der See ist viel länger als breit und nach einer Seite von einer steilen Mauer begrenzt, an die sich eine Schlucht anschließt.«
»Ein Stausee«, murmelte Matt. Das machte Sinn. In trockenen Regionen konnte man so den natürlichen Lauf eines Flusses nutzen, um das Umland mit Wasser
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