288 - Labyrinth der Guule
Belal hing. »Schon gar nicht, wenn man ein gebrochenes Bein hat.«
»Aber ihr wart den ganzen Tag unterwegs! Ich habe eigentlich nur geschlafen und euch noch so gut wie gar nicht gesehen!«, maulte Berfin.
»Ach, Kind«, schmunzelte Belal und strich mit der freien Hand durch das lange dunkle Haar ihrer Tochter, wobei sie darauf achtete, sie nicht mit den spitzen Fingernägeln zu verletzten. »Von mir aus…«
»Darf Goran auch mitkommen?«
Der Junge hatte sich aus dem Knäuel der Leiber hervorgearbeitet und kam nun mit zwei Handvoll blutigem Kamshaa-Fleisch auf sie zu.
»Wenn er möchte«, sagte Kovan grinsend. »Immerhin sorgt er dafür, dass du nicht verhungerst!«
Albay Kriw war unterdessen vorausgegangen und wartete am gegenüberliegenden Ausgang der Gemeinschaftshöhle. »Lasst ihn uns endlich wegbringen!«, rief er herüber und sog genüsslich den sich ausbreitenden Geruch des Kamshaa-Fleisches ein. »Ich habe Lust auf einen Nachtisch!«
»Ja, Albay!«, bestätigten Kovan und Delal wie aus einem Mund.
»Kommt mit!«, ermunterte Berfins Mutter ihre Tochter und deren Freund.
Die beiden nahmen einen kräftigen Bissen von ihrem rohen Fleischbrocken und folgten den Erwachsenen tiefer ins Labyrinth hinein.
***
Zwei Tage später …
»Wie sieht es hinten aus?«, rief Rulfan über die Schulter hinweg zu Matt, der sich weit aus einem Fenster der Gondel beugte und das Heck im Auge behielt.
»Massig Platz!«, antwortete er. »Da könnten glatt zwei Zeppeline nebeneinander landen.«
Xij und Aruula waren da nicht so zuversichtlich. Auch sie hatten sich an die Fensterreihen der Kabine gestellt und äugten misstrauisch hinaus. Links und rechts des Trägerballons schoben sich die scharfen Bruchkanten der Schluchtwände in ihr Blickfeld. »Das sieht aber nicht nach viel Platz zum Manövrieren aus«, murmelte die schöne Barbarin. »Wenn uns ein Windstoß zur Seite drückt…«
»Draußen ist es fast windstill«, widersprach Alastar. Der Chefexekutor schien es gar nicht erwarten zu können, dass sie endlich aufsetzten.
Es waren zwei Tage vergangen, seit sie auf Mahmad Xeters Karawane gestoßen waren und von dem geheimnisvollen unterirdischen Labyrinth erfahren hatten, in dem angeblich eine Armee von Versteinerten nur darauf wartete, erweckt zu werden.
Matt wusste immer noch nicht, was er von der Geschichte halten sollte. Und er erwartete auch nicht - so wie offenbar Alastar -, dass sie bei den Steinkriegern einen Hinweis auf Agartha finden würden. Trotzdem war er einverstanden, die versteinerte Armee in Augenschein zu nehmen. Schaden konnte es ja nicht…
Wie vom Karawanenführer beschrieben, waren sie weiter gen Osten geflogen und hatten sich dabei an den ausgetretenen Pfad gehalten, dem die Wüstentrecks offenbar regelmäßig folgen. Tatsächlich waren sie am frühen Morgen auf besagten Stausee gestoßen und hatten aus der Luft gleich erkennen können, an welcher Seite sich die Staumauer befand. Auch die Oase, die Xeter erwähnt hatte, fanden sie.
Sie war allerdings verlassen. Derzeit machte keine Karawane hier Rast, wenn auch zahlreiche Spuren darauf hinwiesen, dass sich in dem kleinen Palmenhain bis vor Kurzem noch Menschen aufgehalten hatten. Herausgerissene Palmenwedel und Reste von Feuern aus getrocknetem Kamshaa-Dung waren eindeutige Hinweise.
An den See schloss sich eine lange breite Schlucht an. Der Anblick erinnerte Matt frappierend an die Erdbebenspalten, die er in Afra gesehen hatte, nur dass diese hier breiter war. Allerdings nicht so breit und so tief wie die Canyons des Mars.
Auch Rulfan äußerte die Vermutung, die Schlucht sei durch ein Erdbeben entstanden. »Der Erosion nach zu urteilen würde ich sagen, dass es schon vor Jahrhunderten geschehen ist«, sagte der Albino aus den Bunkern von Salisbury. »Vielleicht sogar kurz nach dem Kometeneinschlag.«
»Dann müsste auch der Staudamm nach ›Christopher-Floyd‹ erbaut worden sein«, führte Matt an. »Das wäre bei den damaligen Verhältnissen eine technische Meisterleistung gewesen - vor allem, da er noch immer intakt ist.«
»Vielleicht wurde er ja viel später erbaut«, gab Rulfan zu bedenken. »Als es darum ging, das Land wieder urbar zu machen.«
Sie waren dem Verlauf der Schlucht, die sich von der Staumauer aus noch etwas verbreiterte, etwa einen Kilometer gefolgt, als Xij auf einmal aufgeregt rief: »Dort! Da unten ist was!« und hinab deutete.
Sie alle sahen, was sie meinte. Am Fuße der Schlucht, auf der rechten Seite,
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