288 - Labyrinth der Guule
dichtgehalten. Auch wenn das, was nun geschah, abzusehen gewesen war. Spätestens dann, als die Tiere nervös mit den Ohren zu zucken begannen, weil sie fremde Artgenossen witterten.
Und auch wenn die Anzeichen erst spät zu erkennen gewesen waren - sie waren alles andere als unvorbereitet. Ein Handzeichen des Karawanenführers und alle rund vier Dutzend nachfolgenden Händler und Reiter waren vorgewarnt.
Wie zu erwarten gewesen war, wurden sie am Ausgang der Talsenke eingekreist. Ein Trupp von fünfzehn Kamshaas und ebenso vielen Horsays.
Xeter erkannte die andere Karawane auf den ersten Blick. Es war die von Mahmad Welat. Man kannte sich, war sich schon des Öfteren an den Knotenpunkten des unsichtbaren Netzwerkes von Karawanenstraßen begegnet, die ganz Tuurk durchzogen wie ein gigantisches Siragippen-Netz. Welat war auf den Ost-West-Pfaden unterwegs, während Xeter und seine Leute den Norden und den Süden miteinander verbanden.
Er sah, wie Welat auf seinem kräftigen schwarzen Hengst heranritt. Im Hintergrund verteilten sich die in lange helle Gewänder gekleideten Händler, die Säbel gezückt, gierige Kampfeslust in den Augen.
Mahmad Xeter ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Schützt die Tiere!«, rief er vom Rücken seines Kamshaas herunter. »Ihr wisst, was ihr zu tun habt!«
Hinter ihm formierten sich seine Leute. Sie trieben die Last- und Reittiere zusammen und schlossen sich zu einer kreisförmigen Phalanx zusammen, in deren Mitte die Fracht und ihre Träger geschützt waren. Das Klirren von gezogenen Säbeln war zu hören, das Spannen von Bogensehnen. Bald gab niemand mehr einen Laut von sich. Selbst die Frauen und Kinder rissen sich zusammen. Kein Wimmern, kein angstvolles Gestöhne. Sie waren stolze Töchter und Söhne der Steppe, und sie wurden auch nicht zum ersten Mal überfallen.
Die Anspannung war fast greifbar. Welats Truppe hielt die Distanz, etwa einen halben Speerwurf von Rund der Xeter-Karawane entfernt. Seelenruhig blieb der Anführer auf seinem Kamshaa sitzen und wartete darauf, dass Welat auf Rufweite herangekommen war.
Das stolze Horsay des Anführers der gegnerischen Gruppe glänzte vom Schweiß und wieherte nervös. Xeter sah das Muskelspiel des Hengstes unter dem Fell. Das Tier konnte vor Kraft und Energie kaum stillhalten und tänzelte auf der Stelle. Wie schon beim letzten Mal, als sie sich begegnet waren, versetzte ihm der Neid auf das schöne Tier einen Stich.
»Was willst du?«, rief er zu Welat herüber. »Du hast es doch wohl kaum nötig, unseren armen Treck zu überfallen, Mahmad !« Xeter belegte die Ehrenbezeichnung der Karawanenführer mit einem ironischen Unterton. Er wusste, dass Welat für seinen Posten eigentlich schon viel zu alt war und nur aus Prestige-Gründen noch an ihm festhielt. Ein Verhalten, das unter den umherziehenden Tuurks als unehrenhaft galt.
»Ich will den Jungen zurück, Xeter!«, brüllte Welat. Sein Hengst stieg bei dem lauten Schrei hoch und schlug mit den Vorderhufen auf den staubigen, festgetretenen Boden. »Ich weiß, dass ihr ihn habt!«
Mahmad Xeter warf einen Blick zurück zu seinen Leuten. Er schaute in fragende Gesichter. Offenbar war auch ihnen schleierhaft, was Welat meinte. »Wovon, beim Shaitan, sprichst du, Alter?«
»Jetzt tu nicht so unschuldig!«, knurrte der Anführer und ritt noch ein paar Schritte weiter heran. »Jeder weiß, dass du auch mit Sklaven handelst, wenn sich die Gelegenheit ergibt, Mahmad !«
Sicher, welche Karawane tat das nicht? Man musste schließlich sehen, wo man blieb, und bevor ein Menschenleben sinnlos in der Wüste mit dem Verdursten endete, konnte man sich ihm besser annehmen und es gegen Waren eintauschen. Das bisschen Wasser und Verpflegung waren da eine gute Investition… Aber zurzeit hatten Welat und seine Karawane keine solche »Ware« dabei.
»Gehen dir die Leute aus, Welat?«, spottete Xeter. »Nun, ich würde dir ja jemanden verkaufen, wenn ich tatsächlich Sklaven im Angebot hätte. Aber leider kann ich dir damit heute nicht dienen. Möchtest du vielleicht einen anderen Handel abschließen? Oder versuchst du dein Glück, dir einfach zu nehmen, was du möchtest? Dann sei versichert, dass wir das nicht tatenlos hinnehmen!«
Welats Miene war wie versteinert. »Ich habe kein Interesse an irgendwelchem Tand, den ihr durch die Wüste tragt! Ich will nur Rebin zurückhaben.«
Rebin? Das war doch einer der Bengel aus Welats Clan. Was sollte er denn mit dem zu schaffen haben?
»Wenn du
Weitere Kostenlose Bücher