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289 - Circus des Schreckens

289 - Circus des Schreckens

Titel: 289 - Circus des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Paradigi
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sah, bäumte sich das letzte bisschen Leben in ihm auf.
    Sie nicht! Sie war zu jung, um hier schon ein Ende zu finden! Mit einem Aufschrei stemmte er sich gegen Beton und Metall, atmete durch den Schmerz hindurch, der an ihm riss - und befreite sich. Nur mehr wie hinter einem Schleier nahm er war, dass andere um sie herum standen. Vielleicht war da Barans Stimme, Schatten, die im Schutt um sie herum wühlten, Tiergebrüll. Aber Khalils Aufmerksamkeit galt allein der Reporterin, seiner Tochter im Geiste. Wenn er nur sie retten könnte, wäre sein Leben etwas wert gewesen, mehr als all die Auftritte und Rekorde zusammen.
    Elinja lag seitlich in der Hüfte verdreht und sah ihm aus erschreckten Augen entgegen. »Khalil!«, keuchte sie. »Khalil, was ist mit dir?«
    Sein Lächeln, das er ihr schenkte, war eine Grimasse des Schmerzes. Dennoch ließ er sich nicht beirren. Dafür reichte die Kraft noch. Konzentriert setzte er die Füße hüftbreit nebeneinander, ging mit einem gepressten Ächzen in die Knie und packte die Betonscholle, die seine Tochter halb unter sich begrub. Er pumpte Luft in die Lungen, versuchte es, doch die Atemnot blieb. Sein Gesichtsfeld wurde enger und enger, als er seine großen Pranken an den Stein ansetzte, hochdrückte und dagegen anlief, als wäre es ein Gegner im Ring, den es umzustoßen galt.
    Dann fiel er. Der Stein und Khalil Oghab.
    »Khalil«, flehte eine Stimme über ihm, als er nochmals die Augen aufschlug. »Khalil, du darfst nicht sterben.« Und diesmal lächelte er frei von Leid, als er Elinjas Gesicht über sich sah, wie sie neben ihm hockte und seinen Kopf hielt.
    »Versprich mir, dass der Zirkus überlebt«, wisperte er rau. »Versprich, dass einmal meine Kinder die neue Welt bevölkern.«
    Und die Frau, deren schwarzes Haar in verklebten Strähnen über ihre Schulter fiel, strich ihm sanft über die Stirn, beugte sich vor und setzte einen zärtlichen Kuss auf die alte ledrige Haut, bevor sie flüsterte: »Ich verspreche es.«
    ***
    Zirkus der Hoffnung, Februar 2527
    Matthew Drax griff in eine der Schalen und nahm ein weiteres in geschmacksneutralem Teig frittiertes Stück Fleisch heraus, tunkte es in die süßsalzige Soße und biss ab. Mit der Zeit verlor man die Scheu vor Ungewöhnlichem und war bereits dankbar, wenn das Dargebotene nicht noch zuckte und zappelte oder einen gar anstarrte. Es schmeckte leicht fischig und hatte doch die Konsistenz von Huhn.
    Sie saßen gemeinsam mit dem Oberhaupt dieses skurrilen Zirkusdorfes in einem beachtlich ausgebauten Wohnwagen. Man hatte ihnen nach und nach verschiedene Speisen gebracht und ließ es auch an Getränken nicht mangeln. Doch zumindest dabei hielt sich der Mann aus der Vergangenheit strikt an das, was nach Wasser aussah, wenn es auch ein wenig muffig schmeckte.
    »Warum diese Verkleidungen?«, fragte Alastar und wischte sich ein paar seiner knielangen schwarzen Haarsträhnen aus dem Gesicht.
    Der Direktor warf einen flüchtigen Blick in einen der zahlreichen Spiegel, als wollte er den Sitz seiner Schminke kontrollieren, bevor er lächelnd zu einer Antwort ansetzte. »Als die Welt unterging, so steht es geschrieben in den wenigen Aufzeichnungen meiner Familie, schien die Menschheit verloren. Doch einer hatte noch ein wenig Glaube übrig. Einer hat im Angesicht des Todes trotz aller Widrigkeiten das Beste im Menschen hervorgekehrt und daran festgehalten. Brüderliche Liebe, in dessen Mitte eine ganz besondere Magie liegt. Fantasie, die einen Grenzen überschreiten lässt und die Hoffnung am Leben hält.«
    Der Exekutor der Reenschas verzog bei so viel Pathos das Gesicht. »Hoffnung worauf? Um euch ist doch nichts als ein riesiger Sumpf. Gegen den könnt selbst ihr nicht anstinken.«
    Matt musste ihm recht geben, aber er hätte es nicht so doppeldeutig formuliert. Bevor der Direktor zu einer Antwort ansetzen konnte, fügte er hinzu: »Würde es nicht mehr Sinn machen, eure Energien in andere Projekte zu stecken? Projekte, die euch mehr Lebensqualität einbrächten?«
    Khalil Vahidi verzog den Mund zu einem maskenhaften Lächeln, doch Matt meinte etwas wie Verärgerung in den kleinen Augen zu erkennen, bevor der Blick des Direktors zu dem Jungen wanderte, der seit ihrem Eintreten ungewöhnlich still in einem abgerissenen Sessel hockte, die Beine in dem ausladenden Clownkostüm hoch an die Brust gezogen, die Arme im zu langen Hemd darum geschlungen und das Kinn versunken in der weit gefächerten Halskrause.
    Als der Direktor den Mund

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