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289 - Circus des Schreckens

289 - Circus des Schreckens

Titel: 289 - Circus des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Paradigi
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Stoff des Überwurfs an der Pritsche festfror über Nacht.
    Die Gedenkfeier bildete dabei eine Ausnahme. Heute würden sie etwas Warmes kochen, das aus mehr als heißem Wasser und ein paar verendeten Tierkadavern bestand.
    Elinja ließ den Blick zu der kleinen Gruppe schlotternder Geistlicher wandern, die zusammengerottet auf der Ostseite der Zuschauertribüne hockten. Obwohl der Rahbar mit Khalil gestorben war, schien nach so vielen Jahren immer noch der Keim des Alten in ihnen zu stecken. Macht. Gier. Intrigen.
    Elinja schüttelte den Kopf, strich sich ein paar Haare aus der Stirn unter die lederne Kapuze und breitete die Arme aus. »Meine Freunde, wir mögen die ersten Jahre mit den Tieren zusammen aus Trögen gefressen haben, als die Welt leergefegt schien. Doch das Leben findet einen Weg, so wie wir einen gefunden haben. Lasst also die Show beginnen!«
    Es regnete bunt gefärbte Blätter vom Himmel - oder besser gesagt aus den Beuteln der Helfer oben auf den Emporen der neu gesetzten Zeltmasten. Es war kein ganz so massiver Bau mehr wie in seiner Ursprungsform. So viel Baumaterial hatten sie nicht auftreiben können in der Zeit nach dem Einschlag. Und danach hatte man das Flickwerk wieder und wieder ausgebessert, aber nie neu errichtet. Schließlich brauchten sie eine Unterkunft, die die Kälte, die Stürme und auch die wilden Bestien so gut es ging abhielt.
    Und mit »wilden Bestien« waren nicht nur Tiere gemeint. Neben den wenigen Überlebenden von außerhalb, die noch zu ihnen fanden, gab es auch solche, die mit dem Hereinbrechen des großen Dunkels jede Menschlichkeit abgelegt zu haben schienen. Jene, die für das eigene Überleben alles taten und nicht zu teilen bereit waren.
    Die ersten Statisten eroberten die Manege. Clowns. Sie waren in Elinjas Augen die Boten des neuen Zeitalters. Mit ihnen und ein paar Akrobaten ging sie regelmäßig auf die Reise, um überall dort, wo sich Menschen hartnäckig ans Leben klammerten, etwas von dem Geist und der Seele ihres Mentors zu vermitteln. Sie hatte es versprochen, und sie hielt ihre Versprechen. Der Zirkus würde überdauern.
    »Hast du die neue Kanone schon gesehen, die ich für die Spaßmacher gebaut habe?«, fragte Baran im Flüsterton und mit sichtlicher stolzgeschwellter Brust. »Ich habe in einer der westlichen Fabrikruinen endlich ein passendes Rohr gefunden, das nicht mit der halben Umgebung verschweißt und verschmolzen war.«
    Elinja nickte nur und schaffte nicht mal ein Lächeln.
    »Na, hab ich dafür nicht einen ordentlichen Schmatzer verdient… oder mehr?« Allein der Tonfall seiner Worte ließ Elinja das lüsterne Glitzern in seinem Blick vor ihrem inneren Auge aufflackern. Dazu seine Zunge, die in ihrer Nähe geradezu manisch wieder und wieder über seine Lippen leckte, als könnte er ihren Kuss schon schmecken.
    »Ich habe keine Zeit für solche Spielchen, Baran«, fertigte sie ihn kalt ab. Aber sie wusste auch, dass sie sich vorsehen musste. Er war nicht mehr der kleine schüchterne Junge von damals. Er hatte sich zu einem zugegebenermaßen stattlichen Kerl entwickelt, der ihr besonders die ersten Jahre sehr geholfen hatte, ihre Position als neue Anführerin des Projekts durchzusetzen. Dass er nun seinen Lohn einforderte, war sogar nachvollziehbar. Aber Elinja liebte ihn nicht. Sie hatte keinen Platz für die Liebe in ihrem Herzen. Zu viele Sorgen hatten sich darin eingenistet.
    »Du benimmst dich wie 'ne spröde alte Jungfer. Oder gefall' ich dir nicht? Ich könnte sie alle haben hier im Lager«, maulte Baran hörbar verstimmt.
    »Die Hodschatoleslam sitzen mir täglich im Nacken mit ihren Visionen von einem großen neuen Reich, schmeicheln mir, bis der Schleim förmlich von meinem Kinn tropft, und die Tiere krepieren derweil ohne ersichtlichen Grund an Atemnot. Denkst du wirklich, dabei verschwende ich auch nur einen Gedanken noch daran, irgendeinem altertümlichen Ritual aus der alten Zeit nachzuhängen?«
    Schleier aufsetzen, Ringe tauschen, den Bund der Ehe eingehen. Baran mochte auf seine Weise forsch sein, aber er war kein Schwein, der einen in die nächste Ecke zwang. Er hatte ihr einen Heiratsantrag gemacht. Unzählige Anträge mittlerweile, um genau zu sein. Aber was Elinja gesagt hatte, meinte sie auch so. Sie hatte keine Zeit und keinen Sinn für Zweisamkeiten. Khalils Vermächtnis weiterzutragen war das Einzige, was sie ausfüllte.
    »Die Viecher haben bestimmt zu viel von dem verrotteten Gras erwischt, das zu lange hinten in der

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