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289 - Circus des Schreckens

289 - Circus des Schreckens

Titel: 289 - Circus des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Paradigi
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von nichts anderem mehr als von dem Todeskometen. Im Radio liefen Songs wie »End of the world« von Aphrodite's Child, »Black hole sun« von Soundgarden oder »The last day on earth« von Marilyn Manson. Die Gotteshäuser jeder Religion waren vollgestopft mit frisch getauften Schäfchen, die mit Inbrunst für ihr Seelenheil beteten.
    Khalil Oghab dagegen war dabei, sich seine eigene Kathedrale zu bauen, genau so wie er sich den Zufluchtsort für seine große Familie vorstellte.
    Es war billiger und unkomplizierter als gedacht gewesen, das Stück Land im Norden seiner alten Heimat zu kaufen. Ein mehrere Hektar großes Areal direkt am Ufer des Kaspischen Meeres, zwischen einem Vogelreservat im Westen und einem Naturschutzgebiet im Osten gelegen. Zwar war das Wasser des Sees an dieser Stelle salzhaltig, doch das hatte auch Vorteile, wenn man es recht bedachte. Um Trinkwasser daraus zu gewinnen, bedurfte es einer Aufbereitungsanlage, doch das damit nebenbei anfallende Mineral war lebensnotwendig in einer Krisensituation. Und genau dafür rüsteten sie sich.
    Die Pläne für den Bau hatte der alternde Gewichtheber selbst entworfen. Ein Dachgerüst aus Stahl und Beton sollte es werden, mit tief in die Erde zementierten Stützpfeilern. Ein Schutzraum und Zirkuszelt zugleich, Unterschlupf für Mensch und Tier, mit einer großen Arena, gestuften Zuschauerrängen, aber auch mit Schlafräumen und Ställen. Kein dunkles Loch, in dem man auszuharren hatte, bis die Welt sich beruhigt hatte, sondern ein Zufluchtsort, der auch das Lachen und die Menschlichkeit am Leben erhielt.
    Noch während das als Metallskelett skurril in den Himmel aufragende Gebäude Gestalt annahm, lieferten Lastwagenkolonnen alles Nötige für den bevorstehenden Überlebenskampf: Decken und Verbandmaterial, abgefülltes Wasser, Futter für die Tiere und haltbare Nahrungskonserven für die Menschen.
    Und mit den Wagen kamen auch die Schutzsuchenden. Artistenfreunde, die Khalil eingeladen hatte, aber auch Einwohner aus der Gegend, die zu arm waren, um sich in den wenigen Bunkeranlagen einen Platz zu erkaufen. Jeder fand Einlass in die Manege des Zirkus der Hoffnung.
    »Entschuldigen Sie, sind Sie Herr Oghab?«
    Khalil, der gerade dabei war, Kisten zu beschriften und in die verschiedenen Ecken des Lagers zu dirigieren, drehte sich zu der jungen Frau um, musterte sie und strich sich gemächlich durch seinen langen, weiß gewordenen Bart, bevor er nickte. »Khalil Oghab. Und mit wem habe ich das Vergnügen?«
    »Mein Name ist Elinja Vahidi. Ich bin Reporterin der Sunday Times und von London angereist, weil es heißt, Sie seien verrückt geworden und würden mitten im Untergangsgetümmel einen gigantischen Zirkus aufbauen«, kam die zierliche Frau gleich in aggressiver Interviewmanier zur Sache. Doch so leicht ließ sich eine weltbereiste Berühmtheit nicht aus der Ruhe bringen.
    »Verrückt also, hm?« Khalil schmunzelte. »Dann sagen Sie mir, Fräulein, was verbinden Sie mit einem Zirkus?«
    »Stinkende, betrunkene Clowns und apathische, gequälte Tiere in zu engen Käfigen«, antwortete die Reporterin ungebremst provokativ, während es in ihren dunkelbraunen lidlosen Augen aufblitzte. Ihr bronzefarbener Teint, die schlanken Gesichtszüge und ihr kräftiges schwarzes Haar entlarvten ihre persischstämmige Herkunft. Auch wenn sie sich ganz und gar britisch konservativ in ein dunkelblaues Kostüm mit weißem Spitzenkragenhemd und dazu passenden Stöckelschühchen gezwängt hatte.
    »Es gibt in jeder Branche schwarze Schafe, Miss Vahidi, und besonders gern auch in Ihrer«, antwortete Khalil. »Ich denke, das wissen Sie genauso gut wie ich.«
    »Nur weil den Geheimniskrämern dieser Welt nicht gefällt, dass wir mit allen Mitteln versuchen, die Wahrheit ans Licht zu bringen, macht uns das noch lange nicht zu schwarzen Schafen. Die Bevölkerung hat ein Recht, aufgeklärt zu werden.«
    »Dann bin ich in ihren Augen also nicht nur ein Irrer, sondern auch jemand, der etwas zu verbergen hat?« Khalil hielt sein Schmunzeln auf den Lippen, die Augen amüsiert blinzelnd. »Dabei errichte ich meinen Zirkus doch vor aller Augen.« Er wandte sich halb um und schloss das Baugelände mit einer weit ausholenden Geste ein.
    Elinja Vahidi zupfte nun doch ein wenig ertappt an den Haarspitzen ihrer schulterlangen Lockenpracht.
    »Ich mache Ihnen einen Vorschlag«, fuhr Khalil fort. »Sie vergessen für einen Nachmittag, als was Sie hier sind, und ich beweise Ihnen, dass dieses

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