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289 - Circus des Schreckens

289 - Circus des Schreckens

Titel: 289 - Circus des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Paradigi
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und demonstrierte lautstark ihre Version eines hupenden Zugs. Das nachfolgende Lachen, das ihr aus der Kehle sprudelte, tat ihr so gut wie schon lange nichts mehr. Und mit dem Lachen kam die Erkenntnis, dass das hier mehr wert war als ein reißerischer Bericht auf Seite sieben.
    Sie würde bleiben. Gleich nach dem Rundgang würde sie in der Redaktion anrufen und ihrem Chef klarmachen, dass hier der Stoff für eine großangelegte Reportage schlummerte. »Zirkus der Hoffnung - die Arche unserer Zeit« , das würde ihr Titel werden.
    ***
    Am Abend waren alle nötigen Details geklärt. Ihr Chefredakteur hatte nach einigem Hin und Her zugestimmt, ihr das Zusatzbudget genehmigt, und auch Oghab hatte ihrer Bitte, bleiben zu dürfen, entsprochen.
    Sein Helfer Baran, ein schlaksiger Bursche, der wohl etwas jünger war als sie selbst, hatte ihr in einer der bereits fertigen Kammern unter dem Betonzeltdach Platz gemacht und kümmerte sich auch sonst geradezu rührend um sie.
    »Abendessen gibt es für alle zusammen draußen am Lagerfeuer, sobald es zu dunkel für die Arbeiten ist«, erklärte er, während er ihr Decke und Kissen reichte.
    »Wie finanziert Oghab das alles?«, fragte Elinja.
    Doch bevor Baran zu einer Antwort ansetzen konnte, erklang draußen auf dem Platz das laute Motorenbrummen mehrerer schwerer Wagen, gefolgt von leisem Rumoren in den Reihen der Arbeiter rund um das Areal.
    Als Elinja hinter Baran hinaus auf den offenen Vorplatz trat, sah sie gerade noch, wie zwei in dunkle Roben gekleidete Männer mit weißem Bart und Turban aus einer der gepanzerten Jeep-Limousinen stiegen. Die schlaff herabhängenden Fähnchen links und rechts der Autoscheinwerfer zeigten an, dass es sich bei dem Besuch um Staatsgesandte handelte, um Sprecher des Rahbar, des geistigen Oberhaupts der islamischen Republik, wie die Reporterin vermutete.
    Khalil Oghab war sofort zur Stelle.
    Er rieb sich die Hände am Hemd ab, bevor er sie dem Vordersten der beiden reichte und dabei eine tiefe Verbeugung vollführte, doch seiner Miene war ohne viel Rätselraten anzusehen, dass ihn dieser Besuch alles andere als freute.
    Unauffällig rückte Elinja im Schatten des dazueilenden Baran in Hörreichweite vor.
    »Hätte man mir Euren Besuch angekündigt, hätte ich selbstverständlich für ein angemessenes Willkommen gesorgt, werte Hodschatoleslam«, schmeichelte die Gewichtheber-Legende gerade mit unerwarteter Unterwürfigkeit in der Stimme. Und als Elinja die Anrede hörte, wusste sie auch, warum. Hodschatoleslam nannten sich die Mitglieder des Expertenrats im politisch-religiösen System des Iran. Eine Auswahl von sechsundachtzig wenigstens auf dem Papier tugendhaften und erfahrenen Geistlichen, die beinahe so viel Macht besaßen wie der Rahbar selbst.
    Der Geistliche winkte mit knapper Geste ab und strich sich durch den Bart, ehe er mit beinahe flüsternder Stimme antwortete. Die Reporterin war zu weit weg, um Genaueres zu verstehen, doch allein Oghabs Miene sprach Bände.
    »Es freut mich, dass der Oberste Rechtsgelehrte ein solches Interesse an unserem Projekt zeigt, dennoch muss ich mit Nachdruck ablehnen. Das Land ist mein Eigen und alles was sich darauf befindet.«
    Wieder wisperte der Vorderste der Turbanträger etwas, während sein Begleiter mit in den Ärmeln verborgenen Händen dem Gespräch mit leicht geneigtem Kopf folgte.
    Khalil Oghabs Brauen zogen sich zusammen, Wut funkelte in seinen Augen, und diesmal bellte er den Besuchern seine Antwort ungebremst entgegen: »Verschwindet von meinem Land, sag ich, ihr Geier!«
    Baran, der genau wie Elinja bisher abgewartet hatte, stürzte auf den Gewichtheber zu und schlang seine Arme um ihn, als würde er befürchten, Oghab könnte den Abgesandten angreifen.
    »Wer sich gegen den Willen des Rahbar stellt, der stellt sich gegen das Land und sein Volk selbst!«, rief der Hodschatoleslam mit erhobenem Zeigefinger aus.
    »Ich habe das Land ehrlich erworben und mein ganzes Vermögen in diese Arbeit gesteckt!«
    »Khalil, bitte, beruhig dich«, beschwor Baran ihn. »Lass uns hineingehen und den Wunsch des Obersten Rechtsgelehrten in Ruhe diskutieren!« Doch Oghab schob ihn mit einer einzigen kraftvollen Armbewegung beiseite und schüttelte den Kopf.
    »Wer sich den Zorn des Rahbar und damit des Volkes zuzieht, der begeht Hochverrat und Gotteslästerung«, mahnte der Geistliche mit scharf zischender Stimme.
    Baran sank auf die Knie und beugte sich mit vorgestreckten Armen und um Gnade flehender Geste

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