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289 - Circus des Schreckens

289 - Circus des Schreckens

Titel: 289 - Circus des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Paradigi
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Projekt alles andere als nur das Hirngespinst eines Wahnsinnigen ist. Abgemacht?« Er streckte ihr die große hornüberzogene Hand entgegen und nach einem Moment des Abwägens schlug sie ein.
    ***
    Elinja folgte dem großen bärtigen Mann so gut es eben ging auf ihren Stöckelschuhen und setzte dabei ihre Pokermiene auf. Doch innerlich verfluchte sie sich für ihre allzu forsche Art und ihre englische Borniertheit, zu glauben, ein Zirkus könne nur in zivilisierteren Gegenden zu finden sein.
    Und Oghab? Sie hatte einen dauergrinsenden Zylinderträger erwartet, keinen gutmütig lächelnden Großvater. Er strahlte eine wohltuende Ruhe und Standhaftigkeit aus, die sie durchaus beeindruckte. Im Stillen natürlich.
    Als noch wenig hochgehandelte Nachwuchsreporterin bei einem der größten Blätter des Landes durfte man gar nicht erst anfangen, gefühlsduselig zu werden. Sei hart, Elinja. Eine Story ist nur gut, wenn sie Leid, Schmerz oder einen guten Lacher bringt. Jeder hat irgendwo seinen dunklen oder tragischen Fleck , hielt sie sich vor Augen, während sie der Gewichtheber-Legende hinterher eilte.
    »Warum ausgerechnet in dieser Zeit ein Zirkus? Und warum hier?«, setzte sie ihren Reporterspaten zum Graben an.
    »Weil die Menschheit schon genug Panikmache und Schwarzmalerei vorgesetzt bekommt. Was fehlt, ist Hoffnung. Etwas, das dem Herzen ein kleines Licht schenkt im Dunkel«, erwiderte Khalil Oghab, während er sie durch die Baustelle führte.
    »Der Mensch ist zäher, als man denkt. Keine Kakerlake, aber doch nah dran.« Eine Einstellung, die Elinja im Grunde nicht teilte, aber das spielte keine Rolle.
    Sie musste Informationen aus dem Kerl herauslocken. Und Provokation schien ihr der bessere Weg in seinem Fall.
    »Oh, ich bin sicher, selbst wenn ›Christopher-Floyd‹ die Erde wirklich treffen sollte, wird es ein paar unserer Rasse geben, die den Einschlag überleben. Aber mehr noch als den Tod sollte man doch die Verrohung fürchten.« Oghab hielt inne und hob einen übergroßen Clowns-Hammer aus Plastik auf. Er wog ihn in der Hand, blickte schelmisch zu ihr herüber und schlug ihr die Requisite dann, begleitet von einem lauten Quietscher, auf den Kopf. »Was macht den Menschen denn menschlich, hm? Was meinen Sie?«
    Elinja klappte der Mund auf, aber Khalil ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen. Stattdessen griff er sich eine rot gekräuselte Perücke, zog sie sich über die eigenen Haare, steckte sich eine passende Clowns-Nase an und begann im Entengang watschelnd durch das noch aus blankem Beton bestehende Bühnenrondell zu laufen. »Versuchen Sie es auch mal. Das ist manchmal heilsamer als eine mehrwöchige Kur in einem verschlafenen Bergnest.«
    »Dass er denken kann«, antwortete Elinja deutlich verspätet auf seine Frage, ohne auf die bizarre Einladung einzugehen. »Der Mensch unterscheidet sich von anderen Lebewesen in seiner Fähigkeit, Erlebtes zu reflektieren, weiter in die Zukunft zu denken und sich dabei an eine grundgegebene Moral zu halten.«
    »Und doch wohnt ihm der gleiche Urinstinkt inne wie den Tieren, wenn es ums Überleben geht«, erwiderte der Gewichtheber, während er nach einer der Baugerüststangen griff und sich wie eine tollpatschige Ballerina gebärdete. »Sie wären nicht die Erste, die im Notfall einen Artgenossen verspeist.«
    »Eher würde ich versuchen, Holz zu essen!«, protestierte sie. Doch er hatte recht. Es gab mehr als genug Beispiele dafür, dass im Menschen eine Bestie lauerte, die nur darauf wartete, freigelassen zu werden. Elinja griff nach einer zweiten, grünen Perücke und ließ sie unschlüssig in der Hand vor und zurück baumeln. »Aber ein Zirkus ? Was soll der schon ausrichten können?«
    Khalil Oghab ließ von seinem Spiel ab und kam auf sie zu. »Weil Lachen das beste Allheilmittel ist, das uns diese Welt geschenkt hat. Versuchen Sie's.« Damit deutete er auf das neonfarbene Kunststoffhaar in ihren Händen, zog mit der anderen Hand seine Clowns-Nase ab und setzte sie stattdessen ihr auf.
    Die schmale Plastiköffnung der Kugel zwickte leicht in den Nasenflügeln, und doch musste Elinja lächeln. Der Mann, der sein Geld damit verdiente, gewaltige Gewichte zu heben, und der hier seinen ganz eigenen Traum verwirklichte, kam ihr in diesem Moment weiser vor als all die Wichtigtuer in Anzug und Krawatte oder Amt und Würden.
    Sie senkte den Blick auf die Perücke, zog sie auseinander und stülpte sie sich über den Kopf. Dann griff sie nach einer imaginären Schnur

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