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2894 - Niemand stribt für sich allein

2894 - Niemand stribt für sich allein

Titel: 2894 - Niemand stribt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
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Wohngebiet ein. Es bestand überwiegend aus Einfamilienhäusern. Adrian und Mary O’Farrell waren beide Lehrer. Ihnen gehörte ein schmuckes Haus mit ausgebautem Dachgeschoss. Sie hatten es gekauft, nachdem sie aus Pennsylvania hierher übergesiedelt waren. Eine stählerne Außentreppe führte ins Obergeschoss, wo sich offenbar eine zweite Wohnung befand.
    Ich hielt direkt vor dem Haus. Phil nannte der Zentrale unsere Position und fügte hinzu, dass wir das Fahrzeug verließen. Es hatte aufgehört zu regnen. Aber noch war die Nachbarschaft New Yorks, genau wie die Acht-Millionen-Stadt selbst, von Nässe überzogen. Schweigend durchquerten wir den Vorgarten. Die kleine Rasenfläche war sorgfältig gemäht und sah selbst jetzt, Ende Oktober, noch immer aus wie ein grüner Teppich.
    Das Äußere eines Hauses und des dazugehörigen Grundstücks sagte einiges über seine Eigentümer. Das Ehepaar O’Farrell wendete viel Zeit auf für die Pflege seiner unmittelbaren Umgebung. Das bewies die Gestaltung des Gartens ebenso wie der makellose Zustand des Hauses mit den hellgrau gestrichenen Wänden und den dunkelgrauen Fensterrahmen. Alles in allem war es das Bild einer eigenen kleinen Welt, aus der die Sehnsucht nach Ordnung und Perfektion sprach.
    Und nun traten Phil und ich als Zerstörer dieser Welt auf den Plan.
    Phil drückte den Klingelknopf und löste eine elektronisch erzeugte Melodie aus, die durch das ganze Haus hallte. Wir hielten die Dienstausweise bereit und wussten nicht, ob es richtig sein würde, auf diese Weise mit der Tür ins Haus zu fallen. Allein der Anblick der golden schimmernden FBI-Dienstmarke konnte wie ein Schock wirken.
    Schritte näherten sich, während die Melodie verklang. Einen Türspion gab es nicht, dafür eine Überwachungskamera, dank modernster Technik winzig klein in der oberen Türecke, links. Ein Mann öffnete, soweit es die Sicherungskette erlaubte.
    »Ja, bitte?«, sagte er mit jener Selbstsicherheit, die uns klarmachte, dass wir eigentlich in einer schlechten Position waren. Eigentlich. Es war gerade mal zwei Uhr nachmittags, und möglicherweise galt im Hause O’Farrell die Tradition des Mittagsschlafs bis drei.
    Wir klappten unsere Dienstausweise auf und hielten sie in den Türspalt.
    »Special Agents Jerry Cotton und Phil Decker«, stellte ich uns vor. »Es tut uns leid, Sie stören zu müssen. Sind Sie Mister Adrian O’Farrell?«
    »Woher kennen Sie meinen Namen?«, kam es misstrauisch zurück. »Haben Sie mich im Internet ausspioniert?«
    »Nein, nichts dergleichen«, antwortete ich. »Es geht um Ihre Tochter Gillian.«
    Eine Atempause lang blieb es still hinter der Tür. Dann rasselte die Sicherungskette, und die Tür schwang auf. Eine Frau, die Mary O’Farrell sein musste, stand neben dem Hausherrn. Pelzbesetzte Filzpantoffeln hatten ihre Schritte gedämpft. Sie musste gehört haben, was ich gesagt hatte. Ich konnte es in ihren Augen lesen.
    Ihr Gesicht war starr unter dem halblangen dunklen Haar. Ihr Mann war so blond wie seine Tochter. Beide Ehepartner trugen Jeans, Mary O’Farrell eine bunt karierte Bluse dazu und Adrian ein weißes T-Shirt. Er war knapp sechs Fuß groß und überragte seine Frau um fast einen ganzen Kopf. Ich schätzte die beiden auf Mitte vierzig.
    »Was ist ihr passiert?«, fragte Adrian O’Farrell mit mechanisch klingender Stimme.
    Bevor Phil oder ich antworten konnten, sagte die Frau: »Sie ist tot.«
    Ihre Worte fielen dumpf und schwer in den Eingangsflur.
    Ihr Mann fuhr herum. »Wie kannst du so etwas sagen, Mary? Die Gentlemen haben doch noch gar nicht …«
    »Ich weiß es«, unterbrach sie ihn. »Eine Mutter spürt so etwas. Und seit sie sich mit diesen Leuten eingelassen hat, habe ich es geahnt. Eines Tages musste so etwas passieren.« Ihre Worte klangen sachlich und scheinbar ohne innere Beteiligung. Nur ihre Augen sprachen eine andere Sprache. Schmerz und Trauer hatten sich in der Tiefe ihrer Pupillen längst eingenistet. Der Zeitpunkt, an dem ihre Tränen hervorbrechen würden, war abzusehen.
    Adrian O’Farrell starrte Phil und mich an. »Stimmt es?«, stieß er hervor. »Stimmt es, was meine Frau sagt? Ist Gillian wirklich …?« Er mochte das Wort nicht aussprechen.
    Phil und ich konnten nicht sofort antworten. Ich spürte etwas wie einen Eisenring, der sich um meinen Hals gelegt zu haben schien. Phil war es schließlich, der als Erster zu sprechen vermochte.
    »Ja«, sagte er heiser. »Es ist leider wahr. Wir sind hier, um Ihnen

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