2898 - Leichen brauchen kein Alibi
und Mitarbeiter auf die Straße zu schaffen. Im Handumdrehen war ich mit dem Geiselnehmer und der zitternden jungen Frau allein in dem Diner.
Die NYPD-Männer würden jetzt das FBI verständigen und den Block von ihren Kollegen absperren lassen. Schon bald konnte ich mit Unterstützung rechnen. Aber momentan musste ich mit der Situation allein fertigwerden. Der Kidnapper war hochgradig nervös. Ich durfte mir keinen Fehler erlauben, sonst würde er sich an der Geisel vergreifen. Und das Leben der Frau hatte für mich höchste Priorität.
»Ich bin Agent Jerry Cotton vom FBI New York«, sagte ich mit ruhiger Stimme. »Warum lassen Sie die Lady nicht gehen und nehmen stattdessen mich als Geisel? Das ist viel besser für Sie.«
»Sagen Sie mir nicht, was ich zu tun habe, Agent. Hier tanzt jetzt alles nach meiner Pfeife, kapiert? Als Erstes legen Sie mal Ihre Bleispritze auf den Boden. Und zwar schön langsam.«
Ich hatte meine SIG immer noch in der rechten Hand. Der Geiselnehmer war offenbar nur mit dem Steakmesser bewaffnet. Aber auch damit konnte er genügend Unheil anrichten. Ich tat, was er verlangte. Momentan befand er sich ungefähr drei Mannslängen von mir entfernt. Ich stand seitlich neben der Theke, sodass ich ihn und die Frau hätte erreichen können. Aber das war jetzt zu riskant.
»Okay, G-man. Und jetzt schieben Sie die Knarre mit dem Fuß zu mir herüber.«
Momentan hatte mein Gegenüber eindeutig die besseren Karten. Von draußen hörte ich das Wimmern von den Sirenen der Streifenwagen und ein aufgeregtes Stimmengewirr. Trotzdem konzentrierte ich mich ganz auf den Geiselnehmer.
Er bückte sich und hatte gleich darauf die Pistole in der Hand. Der Mann grinste siegessicher, ließ das Steakmesser fallen und presste den kalten SIG-Waffenstahl gegen die Schläfe der Latina.
Und dann geschah etwas völlig Unerwartetes. Die junge Frau verlor aufgrund der nervlichen Anspannung das Bewusstsein. Ihre Augen verdrehten sich so weit, dass man nur noch das Weiße darin sehen konnte. Sie entglitt dem Griff des überraschten Straftäters.
Eine solche Gelegenheit wollte ich nicht ungenutzt verstreichen lassen. Obwohl ich unbewaffnet war, startete ich durch, sprintete auf den Mann zu und sprang ihn an.
Damit hatte er nicht gerechnet. Er schwenkte die Pistolenmündung in meine Richtung, aber er war zu langsam für mich. Ich riss ihn von der Geisel weg, die bereits bewusstlos zu Boden gesunken war. Dann verdrehte ich ihm das Handgelenk so schmerzhaft, dass er aufschrie und die Waffe fallen ließ. Nun wollte ich ihn fixieren und unschädlich machen.
Doch in diesem Moment stürmten mehrere Cops herein, die meine Attacke offenbar von draußen beobachtet hatten. Mehrere Officers halfen mir dabei, dem Täter Handschellen anzulegen. Dabei hätte ich das auch allein geschafft. Nach meinem Blitzangriff hatte der Kidnapper jeden ernsthaften Widerstand aufgegeben.
***
Der von Phil angeschossene Verbrecher wurde nach Rikers geschafft, um in einer der Kliniken auf der Gefängnisinsel behandelt zu werden. Seine Wunde war nicht lebensbedrohlich, denn Phil hatte ihn ja nur mit einem Schuss in die Wade außer Gefecht gesetzt.
Bei der erkennungsdienstlichen Behandlung des Mannes stellte sich heraus, dass er Hank Forbes hieß. Er stammte aus Cincinnati, wo er bereits mehrfach wegen Gewalttaten verurteilt worden war. Laut seiner elektronischen Strafakte galt er als besonders unbeherrscht. Außerdem schien er eine besondere Abneigung gegen Cops und andere Gesetzesvertreter zu haben. Jedenfalls hatte er in seiner Heimatstadt einen Gerichtsvollzieher angeschossen und einen Officer bei der Festnahme verletzt. Kein Wunder also, dass mein FBI-Ausweis für ihn ein rotes Tuch war.
»Sie können den Patienten erst morgen früh vernehmen, Agents.«
Diese Auskunft erhielt ich, als ich im Krankentrakt von Rikers anrief. Der andere Mann war strafrechtlich bisher noch ein unbeschriebenes Blatt. Aber er hatte sich selbst durch seine Flucht und die Geiselnahme erheblich in Schwierigkeiten gebracht. Er gab zu, Frank Kelly zu sein, verweigerte aber ansonsten die Aussage. Er wollte erst mit uns reden, wenn sein Verteidiger anwesend war. Doch Dr Jeremy Gregson befand sich in Chicago und konnte erst am nächsten Morgen wieder in New York City eintreffen.
»Dann machen wir Schluss für heute«, entschied ich. »Diese beiden Kerle werden uns morgen einiges zu erklären haben.«
»Erstklassige Idee, Jerry.« Phil gähnte verhalten. »Es würde mich
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