2898 - Leichen brauchen kein Alibi
jedenfalls mein Eindruck.«
»Er hat sich verstellt, um uns aufs Glatteis zu führen. Fang oder Turner haben herausgefunden, dass Reed dem FBI einen Tipp gegeben hat. Und daraufhin haben sie ihren Bluthund Forbes von der Leine gelassen, damit er für sie die Drecksarbeit erledigt.«
»Sicher, Phil – so könnte es gewesen sein. Aber wenn diese Annahme stimmt, dann werden sich Beweise und Indizien dafür finden.«
***
»Ich weiß gar nicht, was Sie meinem Mandanten eigentlich vorwerfen.«
Mit diesen Worten empfing uns der Verteidiger Dr. Jeremy Gregson an der Federal Plaza. Er saß einträchtig neben Frank Kelly im Verhörraum. Der Verbrecher, der gestern noch eine junge Frau mit einem Messer bedroht hatte, gab sich heute als seriöser Geschäftsmann.
Ich sah Phil an, dass er nur mühsam eine passende Erwiderung herunterschlucken konnte. Aber wir durften uns gegenüber diesem Juristen keine Blöße geben. Also stellte ich uns ganz offiziell vor. Wir nahmen dem Duo gegenüber an dem Tisch im Verhörraum Platz. Dann sagte ich: »Für den Anfang sind gewaltsame Geiselnahme und Widerstand gegen die Festnahme zwei Delikte, die wir Ihrem Mandanten nachweisen können, Dr. Gregson. Ansonsten besteht noch der Verdacht des Mordes an Jake Reed.«
Der Anwalt machte eine ungeduldige Handbewegung.
»Diese Anschuldigungen werden wir anfechten, Agent Cotton. Mein Mandant kann für seine Handlungen nicht verantwortlich gemacht werden. Er befand sich einer psychischen Ausnahmesituation, hervorgerufen durch Ihren unangekündigten Besuch. Wir werden ein nervenärztliches Gutachten vorlegen, das seine Unzurechnungsfähigkeit bescheinigt.«
»Und was ist mit dem Mord an Reed?«, knurrte Phil. »Waren Sie da auch unzurechnungsfähig?«
»Ich kenne diesen Reed gar nicht«, platzte Frank Kelly heraus. Aber sein Rechtsbeistand fuhr ihm in die Parade.
»Überlassen Sie das Reden bitte mir, Mister Kelly. – Sie haben es gerade gehört, Agents. Mein Mandant kennt das Mordopfer nicht. Können Sie das Gegenteil beweisen?«
Das konnten wir nicht, und Kelly und sein Anwalt wussten oder ahnten es zumindest. Mir fiel auf, dass sie auf die Mordanklage bemerkenswert gelassen reagierten. Und dafür konnte es nur eine Erklärung geben.
Kelly hatte Reed wirklich nicht getötet. Phil hielt ja sowieso eher Hank Forbes für den Schuldigen. Aber uns fehlte ein eindeutiger Beweis.
Ich präsentierte ihnen ein Foto von Jake Reed, aber Kelly schien ihn wirklich noch nie gesehen zu haben. Oder er war ein guter Schauspieler, aber das konnte ich mir nicht vorstellen.
In diesem Moment kam ein Kollege von der SRD in den Verhörraum. Er raunte mir zu, dass bei der Hausdurchsuchung in Kellys Apartment zahlreiche Frachtpapiere der chinesischen Fabrik sichergestellt wurden, die gefälschte Markenkleidung produzierte. Zumindest für Produktpiraterie würden wir Frank Kelly also belangen können.
Ich konfrontierte den Beschuldigten und seinen Anwalt mit den Fakten.
»Den regen E-Mail-Verkehr zwischen Mister Kelly und dem verhafteten Produktpiraten Mike Turner können wir beweisen. Soeben haben meine Kollegen noch weitere Indizien festgestellt. – Dr. Gregson, wo war Ihr Mandant Montagnacht zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens?«
Der Anwalt nickte dem Verdächtigen zu.
»Sagen Sie es ruhig, Mister Kelly. Sie haben nichts zu verbergen.«
»Ich war im Bett, allein.«
»Das ist aber kein sehr überzeugendes Alibi«, stellte Phil fest. Der Verteidiger lachte, als ob Phil einen albernen Witz gemacht hätte.
»Agent Decker, wenn mein Mandant gewusst hätte, dass er ein Alibi braucht, dann wäre er sicher nicht allein zu Hause geblieben. Frank Kelly hat kein Alibi, weil er unschuldig ist.«
Das sahen wir anders. Es gab verschiedene Delikte, wegen denen wir den Beschuldigten juristisch festnageln konnten. Aus der Geiselnahme würde Frank Kelly sich ebenso wenig herauswinden können wie aus seiner Verstrickung in den Import gefälschter Markenware.
Aber war er Jake Reeds Mörder?
***
Einstweilen beendeten wir die Befragung. Später am Tag sollte Frank Kelly dem Haftrichter vorgeführt werden. Ich ging davon aus, dass aufgrund der Beweislage Untersuchungshaft angeordnet werden würde. Und der angeschossene Hank Forbes war ja sowieso schon hinter Gittern.
Kaum hatten Phil und ich unser gemeinsames Office betreten, als auch schon das Telefon auf meinem Schreibtisch klingelte. Ich nahm den Hörer ab.
»Agent Cotton hier.«
June Clark war am
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