2898 - Leichen brauchen kein Alibi
Apparat.
»Jerry, es gibt Neuigkeiten von Nancy Mitchell.«
Ich gab Phil ein Handzeichen und schaltete den Lautsprecher ein, damit mein Freund mithören konnte.
»Phil und ich sind ganz Ohr, June.«
»Okay, also gestern hat sich bei der halbseidenen Lady nicht viel getan. Es sind zwei Typen aufgekreuzt, die möglicherweise käufliche Liebe von Nancy Mitchell wollten. Das können wir nur vermuten, weil diese Männer jeweils nur eine halbe Stunde geblieben sind.«
»Aber die Vermutung liegt nahe«, rief Blair aus dem Hintergrund. »Ich habe nämlich im Treppenhaus die Lauscher aufgesperrt. Und die Geräusche aus dem Apartment waren ziemlich eindeutig.«
June ergriff wieder das Wort.
»Die Frau ist jedenfalls gestern nicht aus dem Haus gegangen. Während der Nacht auch nicht. Da wurden wir von Fred Nagara und Ben Harper abgelöst, wie es mit dem Chef abgesprochen war. Heute Morgen haben Blair und ich wieder unseren Beobachtungsposten bezogen. Und vor wenigen Minuten ist Nancy Mitchell aus dem Haus gegangen.«
»Sie ist durchgestylt, als ob sie zu einer heißen Verabredung will«, ergänzte Blair. »Nancy Mitchell fährt einen blauen Subaru Impreza mit New Yorker Kennzeichen. Wir setzen die Beschattung fort. Momentan fährt sie von der Bronx aus südlich auf der Third Avenue. Wir sind hinter ihr, zum Glück ist der Verkehr ziemlich dicht. Wir haben schon fast den Harlem River erreicht.«
»Okay, alles klar. Ruft mich auf dem Handy an, wenn es weitere Neuigkeiten gibt.«
Mit diesen Worten beendete ich das Telefonat. Dann schaltete ich schnell mein Handy ein, das ich während des Verhörs ausgestellt hatte.
Phil zuckte mit den Schultern.
»Vielleicht macht Nancy Mitchell als Callgirl ja auch Hausbesuche. Dass sie jetzt ihr Apartment verlässt, muss nichts mit dem Mord an ihrem Freund zu tun haben.«
»Jedenfalls wird sie sich nicht in Schale geworfen haben, um ihre Trauer zu zeigen«, vermutete ich. Bevor Phil etwas entgegnen konnte, rief June erneut an.
»Wir haben jetzt Harlem durchquert und sind in Midtown Manhattan. Bisher sieht es nicht so aus, als ob die Verdächtige uns entdeckt hätte.«
Unsere blonde Kollegin blieb am Apparat, während Blair am Lenkrad des FBI-Fahrzeugs den Subaru weiterhin verfolgte. Es dauerte nicht lange, bis wir eine neue Meldung bekamen.
»Nancy Mitchell hat jetzt einen Parkplatz gefunden. Wir sind in Chelsea, an der Eighth Avenue. Ich steige aus, um ihr zu Fuß zu folgen. Blair fährt einmal um den Block und stellt unseren Wagen ebenfalls ab.«
»Wahrscheinlich muss ich ins Parkhaus, hier ist alles voll«, ließ sich der schwarze Agent aus dem Hintergrund vernehmen. Gespannt lauschten Phil und ich Junes weiteren Erklärungen.
»Nancy Mitchell steuert ein französisches Restaurant an, das Chez Antoine . Wahrscheinlich ist sie da zum Frühstück verabredet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie aus der Bronx hierherfährt, um allein zu frühstücken. – Richtig, sie trifft sich mit einem Mann. Das kann ich durch die Panoramascheiben deutlich sehen. Aber ich gehe lieber nicht rein. Sie sind nämlich die einzigen Gäste. Wenn ich dort aufkreuze, ist das nicht gerade unauffällig. Wir wollen doch die Turteltauben nicht kopfscheu machen.«
»Turteltauben?«, hakte ich nach. »Ist Nancy ihrem Kavalier so nahe gekommen?«
»Das kann man wohl sagen. Wenn du mich fragst, dann sind die beiden ein Liebespaar. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass dieser Typ einer von Nancys Kunden für käufliche Liebe ist.«
»Wo bist du jetzt, June? Es ist ja auch nicht gerade unauffällig, wenn du vor dem Restaurant stehst und ihnen durch die Fensterscheibe auf den Frühstückstisch starrst.«
June lachte.
»Ich weiß, Jerry. Bin schließlich keine Anfängerin. Ich habe mich auf die gegenüberliegende Straßenseite verzogen und sitze jetzt in einem Diner. Die Aussicht ist nicht die beste. Aber ich werde gleich Blair anrufen, dass er seine Kamera mit Teleobjektiv aus dem Wagen mitnehmen soll. Wahrscheinlich können wir dann ganz brauchbare Fotos von dem Pärchen machen.«
June beendete zunächst die Verbindung, weil sie ja ihren Partner kontaktieren wollte. Phil war die Anspannung deutlich anzuhören, als er nun das Wort ergriff.
»Es ist schade, dass wir das Gespräch von Nancy Mitchell und ihrem Verehrer nicht mithören können. Es wäre gut, wenn wir irgendwie eine Wurfwanze in das Chez Antoine schaffen könnten. Es würde ja reichen, wenn die Abhörvorrichtung irgendwo im Radius von
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