2898 - Leichen brauchen kein Alibi
ausgehen, dass Reeds Tod ein Racheakt der Produktpiraten war«, sagte ich. »Aber es sind auch noch ganz andere Motive möglich. Ihr habt inzwischen mitgekriegt, dass Lee Fang und Mike Turner für die Tatzeit ein Alibi haben?«
Steve Dillaggio nickte.
»Wir werden mit der Bezirksstaatsanwaltschaft beratschlagen, ob die beiden Unglücksraben für die Kronzeugenregelung in Frage kommen. Wenn sie kein Kapitalverbrechen begangen haben und außerdem gegen die Triaden aussagen würden, dann bekommen sie vielleicht endlich die Zähne auseinander. Und dann kann Turner auch in sein geliebtes Bundesgefängnis einfahren.«
Das war eine gute Idee, wie ich fand. Aber Steve und Zeery konzentrierten sich ja sowieso auf die Ermittlungen gegen die Produktpiraten. Als Phil und ich gerade mit unserem Teil der Verdächtigenliste anfangen wollten, klingelte mein Handy. Alec Hanray bat uns zu sich.
***
Der Computerspezialist hatte es wirklich in Rekordzeit geschafft, die Dateien zu entschlüsseln. Die passwortgeschützten Texte waren hauptsächlich E-Mails, die zwischen Reed und einem gewissen Frank Kelly hin- und hergegangen waren.
Phil und Alec Hanray schauten mir über die Schulter, während ich die Korrespondenz überflog.
»Dieser Frank Kelly hat offenbar eine Import-Export-Firma«, stellte mein Freund fest. »Wir sollten checken, ob sein Name unseren Spezialisten für Wirtschaftskriminalität etwas sagt.«
Doch es stellte sich schnell heraus, dass Frank Kelly ein unbeschriebenes Blatt war. Auch eine Recherche in den Datenbanken CJIS und NYSIIS ergab keinen Treffer. Dafür war aber seine Firma ordnungsgemäß bei der Handelskammer von New York registriert.
»Ein Saubermann als Kumpan von Lee Fang?« Phil war seine Skepsis deutlich anzuhören. »Das kommt mir aber sehr seltsam vor.«
Wir beschlossen, diesen Frank Kelly sofort genauer unter die Lupe zu nehmen. Laut Handelskammer-Eintrag befand sich seine Import-Export-Firma im Financial District von Manhattan.
Phil und ich fuhren in die Nassau Street. Obwohl es vom Federal Building bis zu Frank Kellys Geschäftsadresse nicht weit ist, benötigten wir im Stop-and-go-Verkehr des späten Nachmittags für die kurze Strecke ziemlich lange.
Aber als Ausgleich für diese Nervenstrapaze fand ich einen Parkplatz fast direkt vor dem Gebäude. Die Im- und Export-Firma war in einem Geschäftshaus untergebracht, in dem sich fast zwanzig Kleinunternehmen, Arztpraxen und Anwaltskanzleien befanden.
»Eine Klitsche«, meinte Phil. »Es würde mich nicht wundern, wenn dieser Kelly ausgeflogen ist und hier nur eine Briefkastenfirma hat.«
In der Eingangshalle tat ein Doorman Dienst, der in seiner bunten Uniform an einen Operettenadmiral erinnerte. Wir zeigten ihm unsere FBI-Marken.
»Ist Mister Kelly in seinem Office?«
Der Uniformierte beantwortete meine Frage, indem er eifrig nickte.
»Gewiss, Agent. Soll ich Sie telefonisch anmelden?«
»Nicht nötig«, erwiderte Phil. »Und wenn Sie keinen Ärger wollen, dann lassen Sie die Finger vom Telefon.«
Der Doorman sah nicht so aus, als ob er unbedingt auf Schwierigkeiten erpicht war. Er verriet uns noch, dass sich die kleine Firma im dritten Stockwerk befand.
Auf der Treppe kamen uns einige Leute entgegen, die wie Angestellte aussahen. Es war die Tageszeit, zu der viele Unternehmen Feierabend machen – obwohl es gerade im Financial District auch Firmen gab, deren Mitarbeiter bis in die späten Abendstunden schuften mussten.
Doch bei Frank Kelly war eindeutig noch Betrieb. Wir hörten zwei lautstark streitende Männerstimmen hinter Kellys Bürotür. Der Verdächtige teilte sich die Etage mit einem Chiropraktiker und einem Steuerberater.
Ich klopfte an, dann trat ich sofort ein. Phil war einen Schritt hinter mir. Ich hielt meinen FBI-Ausweis hoch.
Zwei Männer mittleren Alters beendeten abrupt ihren Streit und starrten uns schweigend und feindselig an.
»Ich bin Agent Jerry Cotton vom FBI New York. Ist einer von Ihnen Frank K…«
Ich konnte den Satz nicht beenden. Denn einer der beiden zog plötzlich eine Pistole aus seiner Jackentasche und feuerte ohne Vorwarnung auf uns.
***
Phil und ich warfen uns blitzschnell zu Boden. Gleichzeitig zogen wir unsere Dienstwaffen. Der Schuss verfehlte uns.
Der strohblonde Kerl mit der Windjacke wollte ein weiteres Mal feuern. Phil war näher an ihm dran. Mein Freund schoss zurück.
Der Mann stieß einen Schmerzensschrei aus. Phil hatte ihn in die Wade getroffen. Dann kam er sofort vom Boden
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