29 - Im Lande des Mahdi III
seinen Freund und Ratgeber geschätzt und behandelt, so war ich jetzt, wie man sich auszudrücken pflegt, das fünfte Rad am Wagen und wurde nur dann einmal zu einer Auskunft herbeigezogen, wenn es mit seinem Scharfsinn und seiner Tatkraft nicht mehr vorwärts wollte.
Dieser immer haltloser werdende Zustand brachte mich zu dem Entschluß, ihn in Faschodah zu verlassen, sobald wir dort ankommen würden. Leider aber stellte sich, als wir dort anlangten, heraus, daß das Sumpffieber in der Stadt und ihrer Umgebung grassierte und daß vor Ablauf eines Monats kein Schiff zu erwarten sei, welches abwärts gehe. Der Raïs Effendina blieb nur zwei Tage da und lichtete dann die Segel, um der Ansteckung zu entgehen; er gab mir ziemlich deutlich zu verstehen, daß er glaube, ich passe jetzt besser nach Faschodah als an Bord seines Schiffes; ich stellte mich aber unter den gegebenen Umständen taub und blieb bei ihm, obgleich es mich einen innern Kampf kostete, eine solche Undankbarkeit noch länger schweigend zu ertragen.
Dieses mein Verbleiben vergrößerte seinen Zorn gegen mich, zumal er einen neuen Grund zu haben glaubte, eifersüchtig gegen mich zu sein. Wir hatten nämlich in Faschodah gehört, daß die Sklavenjäger während unserer Abwesenheit wieder kühner geworden seien. Esch Schahin, unser vortreffliches Jagdschiff, hatte sich so lange nicht mehr auf dem Nil sehen lassen, und so war den Sklavenhändlern der Mut wieder gewachsen. Wenn in der letzten Zeit auch keine Jagden unternommen worden waren, so gab es doch immer noch Orte, an denen man heimlich Reqiq verborgen hielt, und diese wurde nun an den Nil gebracht und über die unbewachten Furten desselben an das rechte Ufer geschafft, von wo aus der Transport dann ohne Gefahr weitergehen konnte. Ganz besonders sollte die Gegend zwischen Kaka und Kuek unterhalb Faschodah zu diesem verbotenen Treiben ausersehen sein, und so entschloß sich der Raïs Effendina, einige Zeit lang hin und her zu kreuzen, um vielleicht einen Fang zu machen.
Was mich betraf, so glaubte ich nicht an die Wahrheit dieses Gerüchtes, hütete mich aber, dies zu sagen, zumal ich nicht nach meiner Meinung gefragt wurde. Kaka mit seinen in der fast baumlosen Steppe zerstreuten Strohhütten bot den Sklavenhändlern ebensowenig wie das armselige Schillukdorf Kuek die für sie so notwendig versteckte Unterkunft, und da es zwischen beiden Orten auch keine passable Furt gab, so hätte sich der Händler, dessen Wahl auf diese Gegend gefallen wäre, geradezu ein Armutszeugnis ausgestellt. Freilich führt von Kaka aus eine vielbewanderte Karawanenstraße hinüber in das Gebiet der Bagara und an dem Dschebel Kedaro vorüber nach dem Land Tagala; sie ist immer die Hauptstraße der Sklaven Verkäufer gewesen, und so war es allerdings nicht unmöglich, daß sie auch jetzt wieder von diesen Leuten benutzt wurde. Der Raïs Effendina wenigstens war überzeugt davon; ich aber gab diese Möglichkeit im stillen, denn laut sagte ich nichts mehr, zwar zu, nahm aber dabei an, daß der Übergang über den Nil nicht in der Nähe oder Gegend der beiden angegebenen Ortschaften, sondern an einer unterhalb derselben liegenden Machadah (Furt) bewerkstelligt werde. Warum grad unterhalb? Weil die Richtung nach oberhalb ein bedeutender Umweg und also ein großer Zeitverlust gewesen wäre, und je länger der Weg, desto mehr Sklaven gehen dabei zugrunde.
Nun der Raïs Effendina sich wieder auf seinem eigentlichen Jagdgebiet befand und des beinahe festen Glaubens war, daß er einen Fang machen werde, trat ihm der Gedanke nahe, daß mir dabei Gelegenheit geboten werde, mich abermals auf eine ihm nicht genehme Weise hervorzutun. Seine Eifersucht verdoppelte sich, und er beschloß, da er mich in Faschodah nicht losgeworden war, mich wenigstens jetzt kaltzustellen – um mich dieses vulgären Ausdruckes zu bedienen. Er teilte mir mit dem freundlichsten Gesicht mit, daß er mir einen Auftrag zu erteilen habe, der ein Beweis seines großen Vertrauens zu mir sei. Er habe nämlich die Überzeugung, daß die Insel Matenieh von den Sklavenhändlern zum Übergang benutzt werde; ich solle also hinabfahren, um die Gelegenheit auszukundschaften, und so lange dort bleiben, bis er mit dem ‚Falken‘ nachkommen werde; er hege zu meiner Erfahrung und meinem Scharfsinn das Vertrauen, daß ich dann imstande sei, ihm gute Nachricht zu geben. Ich durchschaute ihn, ging aber trotzdem gleich und ohne alle Widerrede auf seinen Vorschlag ein. Zwar
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