29 - Im Lande des Mahdi III
wußte ich genauso gut wie er, daß grad bei der Matenieh keine Spur eines Händlers zu finden sein werde, war aber dabei im stillen der Ansicht, daß zwischen ihr und Kuek die Furten zu suchen seien, auf welche die oben erwähnte Karawanenstraße mündete. Er stellte mich also warm anstatt kalt, und während ich wußte, daß er niemand fangen werde, gab er mir die Gelegenheit, das zu tun, was er verhüten wollte, denn ich war willens, nicht direkt nach der Matenieh zu fahren, sondern die Ufer bis hinab zu ihr genau abzusuchen. Das verschwieg ich natürlich.
Er war ebenso erstaunt wie erfreut über meine schnelle Bereitwilligkeit und erlaubte mir in dieser guten Laune, die Leute, welche mich begleiten sollten, selbst auszusuchen. An der Mischrah von Kaka war von einer aufwärts fahrenden Dahabiëh ein Arbat Makadif (Vierruderboot) zurückgelassen worden, dessen scharfer, praktischer Bau mir in die Augen fiel; ich bat den Raïs Effendina, dieses Boot zu requirieren und bis Kuek an das Schlepptau zu nehmen. Er erfüllte mir diesen Wunsch. In Kuek angekommen, wählte ich vier kräftige Asaker aus, von denen ich wußte, daß sie mir ergeben waren, ließ einen Vorrat von Proviant und Munition in den Arbat Makadif schaffen, dazu verschiedene Kleinigkeiten, die ich für nötig hielt, und sagte dann meinem braven Ben Nil, daß er mich begleiten solle. Er war so entzückt darüber, daß er mich beinahe umarmt hätte. Das Boot war so geräumig, daß wir sechs Männer vollständig Platz hatten; ein Segel war auch da, und so machte ich mich nur zu gern auf die Fahrt, welche eigentlich eine wenn auch nur kurze Verbannung für mich bedeuten sollte. Ben Nil bewies mir, daß ich es nicht allein war, der diese Befriedigung empfand, denn als Kuek und der ‚Falke‘ aus unsern Augen entschwunden waren, sagte er:
„Effendi, ich weiß, daß er dich hat los sein wollen. Dein Ruhm ist ihm zu groß geworden; nun will er dir nichts mehr zu verdanken haben; ich aber denke, daß grad das Gegenteil geschehen wird.“
„Weshalb denkst du das?“ fragte ich ihn.
„Weil du guter Laune bist und ihm den Willen getan hast, ohne ein Wort dagegen zu sagen. Ich kenne dich. Wenn du ein Gesicht machst wie in diesem Augenblick, so fühlst du dich entweder recht zufrieden in deiner Seele, oder du hast eine Dubara (Pfiffigkeit) vor, die deinem Herzen wohltut und auch uns mit Freude erfüllen wird.“
Auch die vier Ruderer waren sehr damit einverstanden, daß meine Wahl sie getroffen hatte. Sie fühlten sich der strengen Schiffsdisziplin enthoben und hegten die frohe Erwartung, daß unsere Fahrt nicht eine so erfolglose sein werde, wie der Raïs Effendina angenommen hatte. Wenn wir glücklich waren, fiel ihnen ein Beuteanteil zu, der um so größer wurde, je geringer die Zahl der Personen war, die auf ihn Anspruch hatten. Wir waren nur sechs, und sie wußten, daß ich nichts zu nehmen pflegte.
Ich führte das Steuer, Ben Nil saß im Bug des Bootes, und die Asaker hatten sich untätig lang ausgestreckt, denn der Wind war uns günstig; wir hatten das Segel aufgezogen und brauchten uns nicht mit Rudern abzumühen. Unsere Abfahrt von Kuek hatte am Nachmittag stattgefunden, und da keine Furt in der Nähe war, hielt ich es nicht für notwendig, nach Spuren von Sklavenhändlern zu suchen. Diese Arbeit hatte erst am nächsten Morgen zu beginnen. Wir segelten bis zum Abend und dann auch noch weiter, denn der Mond schien hell, und der Wind hatte sich nicht gedreht, wie es auf dem Nil gewöhnlich zwischen Tag und Nacht der Fall zu sein pflegt. Später machte der Strom eine energische Krümmung; das Segel fiel zusammen, und weil wir nun hätten rudern müssen, zog ich es vor, nach dem Ufer zu wenden. Dort legten wir unter Bäumen an, befestigten das Boot an einen Stamm und legten uns zum Schlafen nieder. Einer mußte wach bleiben, um das Feuer zu unterhalten, welches wegen der Stechfliegen während der ganzen Nacht zu brennen hatte.
Als am nächsten Morgen die Fahrt fortgesetzt wurde, war es nun an der Zeit, den Ufern unsere Aufmerksamkeit zu schenken und auch nach sonstigen Zeichen einer Furt auszublicken. Daß dies bei der Breite des Stromes nichts Leichtes war, ist selbstverständlich, zumal wir zwischen einer Machadah und einer Chod zu unterscheiden hatten. Der Anwohner des oberen Nils versteht nämlich unter Machadah eine eigentliche Furt, wo ein Fluß wegen seiner geringen Tiefe überschritten werden, unter Chod aber eine Stelle, an welcher man wegen des
Weitere Kostenlose Bücher