29 - Im Lande des Mahdi III
wenn wir ihnen keine Zeit dazu lassen. Stricke sind mehr als genug da. Wenn jeder dieser Leute von zwei oder drei von euch gehalten wird, während der vierte den Strick gleich um die Decke wickelt, kann ein Widerstand gar nicht stattfinden. Also, es kann beginnen!“
Es war eine wahre Lust, zu sehen, was nun geschah. Die Befreiten folgten meinem Rat, und so fühlten sich die Schläfer, ehe sie nur recht munter wurden, in ihren eigenen Decken ein- und festgeschnürt. War dies in völliger Lautlosigkeit geschehen, so erhob sich aber nun ein solches Jubelgeschrei, daß ich glaubte, die Kamele würden scheu werden und davonrennen. Wer von den geretteten Sklaven eine Stimme hatte – und die hatte jeder, und zwar was für eine! –, der strengte sie in allen möglichen Höhenlagen und auf das äußerste an, um den Gefühlen seines entzückten Herzens Luft zu machen. Dieses Schreien und Heulen wirkte so ansteckend, daß meine Asaker und zuletzt sogar Ben Nil auch mitbrüllten. Ich war der einzige, der seinen Kehlkopf nicht für das Ventil einer Trompete und seinen Mund nicht für einen Klarinettenschnabel hielt, und mußte wohl einige Minuten lang die Arme wie Windmühlenflügel hin und her und auf und ab bewegen, ehe die so stimmbegabten Menschen einsahen, daß diese meine Gestikulationen den Zweck verfolgten, der gewaltigen Erschütterung der Atmosphäre Einhalt zu tun.
„Dieses Schreien kann uns in Verlegenheit bringen!“ warnte ich, als ich mich endlich verständlich machen konnte. „Es schallt ja über den Fluß hinüber, wo die Leute aus dem Chor Omm Karn schon eingetroffen sein können!“
„Was gehen uns diese Leute an!“ antwortete einer. „Sie sollen nur kommen, um uns zu holen. Wir werden sie empfangen, wie sie es verdienen!“
„Sie sollen allerdings kommen; aber wenn sie durch euer Geheul mißtrauisch gemacht werden, kommen sie eben nicht.“
„Meinst du, Herr? Ja, da hast du recht! Wir müssen ganz still sein, daß sie morgen früh ahnungslos herübersetzen; dann empfangen wir sie am Ufer und drücken ihre Köpfe unter das Wasser, daß sie ersäuft werden und im Meer des Todes untergehen. Nun aber sag uns, wer du bist, o Herr, damit wir erfahren, wie wir unseren Retter zu nennen haben. Die Badalat (Uniformen) dieser vier Männer lassen uns erkennen, daß sie Asaker des Khedive sind; du aber und dieser dein fünfter Begleiter, ihr scheint keine Asaker zu sein?“
„Nein; wir sind keine Soldaten. Ich bin ein Franke und werde Kara Ben Nemsi Effendi genannt, und dieser, mein junger Freund, heißt Ben Nil.“
Die Folge meiner Antwort war ein Murmeln, welches im Kreis herumging. Der Sprecher gab diesen unverständlichen Tönen einen verständlichen Ausdruck, indem er fragte:
„Bist du etwa ein Christ, Effendi?“
„Ja.“
„Gibt es einen Sabit (Offizier) des Khedive, welcher Raïs Effendina genannt wird und immer den Nil hinauf- und hinunterfährt, um die Sklavenjäger und -händler abzufangen?“
„Den gibt es allerdings.“
„Du bist mit ihm gefahren und hast ihm geholfen?“
„Ja.“
„So haben wir von dir gehört, zwar nicht viel, aber doch genug, um zu wissen, daß du ein Freund und Wohltäter aller Menschen bist, welche zu Reqiq gemacht werden. Abu Reqiq hat unterwegs öfters mit seinen Leuten von dir und diesem Raïs Effendina gesprochen; er schien Angst vor euch zu haben.“
„Wer ist Abu Reqiq?“
„Das weißt du nicht? Dort liegt er gefesselt bei seinen Leuten. Er ist der reichste und berüchtigtste Sklavenhändler im ganzen Dar Sennaar; er reist bis Fodja und noch weiter nach Westen, um Reqiq zu machen, und geht ebenso weit nach Osten über den Atbara hinüber bis an das Ufer des Bahr el ahmar (Rotes Meer), um die Sklaven trotz der Schiffe und der Aufsicht der Franken dort zu verkaufen. Er heißt eigentlich Tamek er Rhani, denn sein Besitztum ist größer als das von fünf Paschas zusammengenommen, wird aber wegen seines umfangreichen und einträglichen Sklavenhandels nur Abu Reqiq genannt. Er hat uns droben in Salamat gekauft und hierhergeschafft, um uns nach Omm Karn zu verhandeln. Von da aus sollten wir über Karkog nach dem Atbara geschafft werden.“
„Er kauft und verkauft also auch Anhänger des Propheten? Hasa nasieb – Schande über ihn!“
„Ja, er behandelt den Gläubigen gleich dem Ungläubigen als eine Ware, wenn er nur Gewinn davon hat. Möge dafür sein Gesicht am Tag des Gerichtes kohlschwarz werden! Nun wirst du wohl auch wissen wollen, wer wir
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